Klex in der Landschaft
womöglich umgebracht. Er blickte auf seine Hände. Blut klebte nicht an ihnen. Vielleicht hatte er sie ja erwürgt, diese Möglichkeit bestand. Es gab jede Menge entsetzlicher Möglichkeiten. Unter Schmerzen beugte Dundridge sich vor, band sich die Schuhe zu, stieg – nach einem Blick in den Straßengraben, um sich zu vergewissern, daß dort keine Leiche lag – in sein Auto und fragte sich, was zu tun sei. Es war natürlich sinnlos, auf dem Parkplatz herumzusitzen. Dundridge ließ den Motor an und fuhr bis zu einem Verkehrsschild, auf dem stand, daß er in Richtung London fuhr. Er wendete, fuhr nach Worford zurück, parkte auf dem Hof des Handyman- Wappens und ging leise in sein Zimmer. Als ihm das Mädchen den Tee brachte, lag er im Bett.
»Wieviel Uhr ist es?« fragte er schläfrig. Das Mädchen sah ihn hämisch lächelnd an.
»Das müßten Sie doch selbst am besten wissen«, sagte sie, »sind doch eben erst gekommen. Ich hab’ Sie die Treppe hochschleichen sehen. Wohl ordentlich einen drauf gemacht, hä?«
Sie setzte das Tablett ab und ging hinaus, und Dundridge schimpfte sich selbst einen Trottel. Er trank etwas Tee und fühlte sich noch elender. Es hatte keinen Zweck, irgendwas zu unternehmen, bevor er sich besser fühlte. Er drehte sich auf die Seite und schlief ein. Als er aufwachte, war es Mittag. Er wusch und rasierte sich, wobei er sein Gesicht im Spiegel musterte, um irgendwelche Anzeichen der von ihm vermuteten sexuellen Raserei zu entdecken. Ein stinknormales Gesicht glotzte ihn an, doch Dundridge war keineswegs beruhigt. Mörder hatten in der Regel stinknormale Gesichter. Vielleicht war er ja einfach ohnmächtig geworden oder litt an Gedächtnisschwund. Das würde jedoch nicht erklären, weshalb er sein Unterhemd verkehrt herum anhatte, von seiner Unterhose ganz zu schweigen. Er hatte sich irgendwann im Lauf der Nacht ausgezogen; schlimmer noch, er hatte sich dermaßen hastig wieder angekleidet, daß er alles durcheinandergebracht hatte. Das ließ auf eine Panik oder wenigstens auf ungewöhnliche Dringlichkeit schließen. Er ging nach unten und aß zu Mittag. Anschließend wollte er sich ein Telefonbuch besorgen und unter Boles nachsehen. Natürlich mußte ihr Onkel nicht unbedingt Boles heißen, aber es war den Versuch wert. Falls es nicht funktionierte, würde er es bei Hoskins oder im Golf Club versuchen. Wenn er es sich recht überlegte, war diese Idee gar nicht einmal so gut. Es brauchte schließlich nicht jeder zu wissen, daß er Miss Boles nach Hause gefahren hatte – oder auch nicht.
Er brauchte dann doch nicht im Telefonbuch nachzuschlagen. Als er an der Rezeption vorbeikam drückte ihm der Portier einen großen Umschlag in die Hand. Er war an Mr. Dundridge adressiert, mit dem Vermerk »Privat und Vertraulich«. Dundridge nahm ihn ungeöffnet mit auf sein Zimmer und war höchst dankbar, daß er ihn nicht in der Halle geöffnet hatte. Jetzt wußte Dundridge, wo er die Nacht verbracht hatte. Er ließ die Fotos aufs Bett fallen und plumpste in einen Sessel. Einen Augenblick später stand er wieder auf und schloß die Tür ab. Dann drehte er sich um und starrte die Bilder an. Es waren ziemlich widerliche Hochglanzfotos im Format 20 mal 25. Sie waren mit Blitzlicht aufgenommen, gestochen scharf und zeigten deutlich und unverkennbar den nackten Dundridge, der sich ganz offensichtlich ohne jedes Schamgefühl einer Reihe von widernatürlichen Akten mit Miss Boles hingab, die seine wildeste Vorstellungskraft überstiegen. Jedenfalls nahm er an, daß es sich um Miss Boles handelte. Dadurch, daß sie anscheinend ... nein, nicht anscheinend, daß sie eine Maske trug, eine Art Kapuze, war eine Identifikation unmöglich. Er blätterte die Bilder durch und stieß auf einen Mann mit Kapuze. Hastig steckte Dundridge sie in den Umschlag zurück und setzte sich schwitzend auf die Bettkante. Man hatte ihn reingelegt. Das Wort schien ihm allerdings absolut fehl am Platz zu sein. Nichts auf Gottes weitem Erdboden würde ihn dazu bringen, diese Bilder in sein Fotoalbum zu legen. Jemand versuchte, ihn zu erpressen.
Versuchte? Es war ihnen verdammt gut gelungen; aber Dundridge hatte kein Geld, er konnte nicht zahlen. Dundridge öffnete den Umschlag noch einmal und gaffte die Beweise seiner Lasterhaftigkeit an. Miss Boles? Miss Boles? Das war garantiert nicht ihr richtiger Name. Sally Bowles. Den Namen hatte er irgendwo schon einmal gehört. Natürlich, Sally Bowles in Ich bin eine Kamera. Dundridge wußte
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