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Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Pfeiler durchtrennte, die früher das Dach gestützt hatten, und außerdem vier Tanksäulen und ein Schild mitnahm, das für kostenlose Trinkgläser warb. Nach der Durchquerung der restlichen High Street hatte die Eisenkugel auf sieben weiteren Autos und den Fassaden von zwölf herausragenden Beispielen der Architektur des achtzehnten Jahrhunderts ihren Abdruck hinterlassen, während der Telegrafenmast, um ja nicht in Vergessenheit zu geraten, jedes dritte Fenster durchbohrt hatte, ehe er sich vom Kran losriß und im Gemeindesaal der Methodistischen Urkirche zur Ruhe kam, nicht ohne ein großes Schild mitzunehmen, das die Ankunft des HERRN verkündete. Als sie das Dorf verließen, leistete die Abrißbirne ihren letzten Beitrag zu Frieden und Ruhe des Ortes, indem sie einen Transformator touchierte, der daraufhin unter Absonderung einer ganzen Galaxis blauer Funken explodierte und den gesamten Bezirk in Finsternis hüllte. Bei dieser Gelegenheit erwachte Mr. Edwards.
    »Wo sind wir?« murmelte er.
    »Fast da«, antwortete Klex, dem es nun gelang, die Geschwindigkeit des Kranwagens zu drosseln. Mr. Edwards genehmigte sich noch einen ordentlichen Schluck Wodka. »Müde bin ich, möcht’ zur Ruh«, sang er, »zeige mir den Weg ins Bettchen.«
    »Noch nicht«, sagte Klex und steuerte den Kran die Auffahrt zum Haus der Bullett-Finches hoch
    *
    Zu den angenehmeren Angewohnheiten von Mrs. Bullett- Finch gehörte nach Meinung ihres Mannes, daß sie früh zu Bett ging. »Morgenstund hat Gold im Mund«, pflegte sie jeden Abend um neun Uhr zu verkünden und sich anschließend nach oben zu begeben, so daß Mr. Bullett-Finch sich friedlich und in aller Ruhe und Bequemlichkeit über Rasen informieren konnte. Rasen interessierten ihn nämlich rasend. Sie übten eine Anziehungskraft auf ihn aus, die Ivy Bullett-Finch schon seit langem fehlte. Je älter er war, desto schöner wurde ein Rasen, was man von Ehefrauen nicht behaupten konnte, und was Mr. Bullett-Finch über Rasenschmiele, Schwingelgras und Sandsegge nicht wußte, war auch nicht wissenswert. Und der Rasen um Finch Grove herum gehörte, wie er fand, zu den besten im ganzen Land. Oben am Haus fing er an und erstreckte sich makellos bis zum Bach unten im Garten. Kein Löwenzahn verunzierte seine Oberfläche, kein Wegerich und kein einziges Gänseblümchen. Sechs Jahre lang hatte Mr. Bullett-Finch seinen Rasen gepflegt, mit Sand bestreut, gemäht, gejätet, gedüngt und punktuell mit Unkrautvertilgungsmitteln traktiert, ja, er war sogar so weit gegangen, Besucherinnen mit Stöckelschuhen das Betreten seines Rasens zu untersagen. Und wenn Ivy in den Obstgarten gehen wollte, mußte sie ihre Hausschuhe anziehen.
    Womöglich hatte sein Beharren darauf, daß der vordere Garten absolut sakrosankt sei, ihre Neigung zu Nervosität und Schuldgefühlen noch verstärkt. Was der Garten für ihren Mann war, war das Haus für Ivy: eine Quelle zwanghafter Sorge, wo alles seinen Platz hatte, zweimal täglich abgestaubt und dreimal wöchentlich poliert wurde, so daß sie weniger aus Trägheit als aus reiner Erschöpfung früh zu Bett ging, wo sie dann wach lag und sich fragte, ob sie alles ausgemacht hatte. In eben dieser Nacht hatte sich Mr. Bullett-Finch gerade in ein Kapitel über Herbizide auf hormoneller Basis vertieft, als das Licht ausging. Er stand auf und stolperte zum Sicherungskasten, wo er feststellen mußte, daß die Sicherungen in Ordnung waren. »Muß ein Stromausfall sein«, dachte er sich und ging im Dunkeln zu Bett. Gerade hatte er sich entkleidet und war dabei, seinen Schlafanzug anzuziehen, als er bemerkte, daß offenbar etwas ausgesprochen Riesiges und von einem mächtigen Dieselmotor Angetriebenes seine Auffahrt hochfuhr. Er eilte zum Fenster und schaute direkt in zwei starke Scheinwerfer. Kurzzeitig geblendet, tastete er nach seinem Bademantel und den Hausschuhen, fand sie, zog sie an und spähte wieder aus dem Fenster. Etwas, das wie ein riesiger Kran aussah, hatte auf dem kiesbestreuten Vorhof angehalten und fuhr nun rückwärts auf seinen Rasen. Mit einem Wutschrei befahl ihm Mr. Bullett- Finch anzuhalten, doch es war zu spät. Kurz darauf ertönte ein schwirrendes Geräusch, und der Kran holte aus. Mr. Bullett- Finch zog den Kopf ein und rannte zur Treppe. Als er die Hälfte der Stufen hinuntergehetzt war, löste sich seine ganze Sorge um seinen wertvollen Rasen in Nichts auf; an ihre Stelle trat die feste Überzeugung, Finch Grove befinde sich im Zentrum eines

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