Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klickpfiff

Klickpfiff

Titel: Klickpfiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Jon Watkins
Vom Netzwerk:
scharfe Sehen gelernt hatte und ein visueller Organismus geworden war.
    Was ihn aber wirklich ängstigte, war die Tatsache, daß es eine Erinnerung an eine Zeit war, die viel weiter in der Vergangenheit lag. Was noch schlimmer war: Er fühlte die Fremdheit der Luft im Vergleich zu einer anderen Substanz, die viel allumfassender als Luft war und die ihm bei einer Berührung weit mehr Angaben lieferte. Zuerst dachte er, das sei Wasser, fühlte aber dann, daß sie noch weit dünnflüssiger als Wasser war.
    Als er all die Nuancen empfing, die sie ihm vermitteln konnte, wurde ihm klar, welche erlebnisarme Umgebung Wasser war, und die Luft konnte ihm noch weniger geben. Die Erinnerung an diese andere Substanz aber war alt, so alt, daß sie ihm noch mehr Angst einflößte als die jüngere Erinnerung daran, welches Gefühl er von den Gegenständen im Wasser gehabt hatte und wie sich dieses Gefühl von dem unterschied, das ihm die Luft vermittelte! Dann kam er darauf. Er erinnerte sich nicht daran, welches Gefühl er in der Luft halte, sondern an den Unterschied zwischen Luft und Wasser.
    Er begann wieder, in Panik zu verfallen, weil es einen Grund gab, warum er Gefühle kannte, die er niemals empfunden haben konnte, und er fürchtete sich davor, den Grund dafür herauszufinden. Darüber hinaus gab es noch einen weiteren Satz von Erinnerungen, die noch furchterregender waren, weil sie alldem widersprachen, was die Basis für eine geistige Gesundheit bildete. Die Erinnerungen, jene uralten Erinnerungen, vor denen er zurückschreckte – sie waren zugleich unausweichlich und doch undenkbar.
    Es beunruhigte ihn, daß er ständig dachte, was für eine unbefriedigende Substanz die Luft war, wenn man lange genug in ihr blieb, weil man in ihr nichts schmecken konnte. Von diesen beängstigenden Gedanken aber wurde er durch den Geschmack der Luft abgelenkt, und er begann, neben den Geräuschen und dem Gefühl auch den Geschmack des Raums zu empfinden. Eine kurze Zeit lang versuchte er, sich selbst einzureden, daß er hier nur die Erfahrung eines gesteigerten Geruchssinns machte, die er fälschlicherweise als Geschmack interpretierte, vergaß aber dabei, daß der größte Teil des Geschmacks durch den Geruchssinn bestimmt wird.
    Aber er konnte sich nicht selbst betrügen. Er schmeckte das Zimmer, und mit Geruchssinn hatte das nichts zu tun. Er schmeckte Burroughs’ Rasierwasser und den bitteren Geschmack der Reinigungsflüssigkeit auf seiner Weste. Er konnte die Menschen selbst schmecken, seine Freunde, Burroughs’ Freunde, die Männer und Frauen, und fast brachte ihn der Gedanke zum Lachen, daß er jeden im Raum besser kannte, als sie irgend jemand anders kannte, sie in einer Art geschmeckt hatte, wie das selbst ein Liebhaber niemals fertigbringen könnte, und sie gefühlt hatte, wie sie jemand anders nicht einmal sehen konnte.
    Mit seinem Geschmack erfaßte er jede ihrer Körperfunktionen und ihre Beziehung zu dem Raum, den Geschmack des Tonbands, das über die metallischen Tonköpfe lief. Er war mit dem Raum und allem, was er enthielt, auf einer Reihe von Ebenen so sehr vertraut, daß die anderen es nicht einmal vermuten konnten. Einen Augenblick war es ihm peinlich, daß zwei der Anwesenden sich geliebt hatten, bevor sie zu der Zusammenkunft gekommen waren, aber es war für ihn nicht abstoßend.
    Obwohl seine sinnliche Erfassung der Leute um ihn herum nicht mehr von der Wissenschaft, sondern nur noch von dem Genuß bestimmt wurde, wußte er, daß sie selbst dann wertvoll war, wenn sie nicht aufgenommen wurde. Er überlegte sich, daß er niemanden von diesen Menschen mehr hassen konnte, nachdem er sie so intim erlebt hatte, und er fragte sich, ob das nicht vielleicht die wichtigste Entdeckung war, die er machen konnte.
    Er begann, sich aus der Vielfalt der Empfindungen einen überlagernden Geschmack herauszuschälen, einen, der sowohl vertraut als auch fremd war, offensichtlich und doch außer Reichweite. Er lachte in sich hinein, als ihm klar wurde, daß es sein eigener Geschmack war, der Geschmack, der von ihm ausging und sich in der Luft ausbreitete, sehr viel weniger deutlich als im Wasser, aber doch stark genug, daß er ihn aufnehmen konnte. Er fing an, das zu begreifen, was man intuitiv über den ‚Geschmack’ einer Party oder Wohnungseinrichtung sagte.
    Was vorher einfach gewesen war, war nun vielfältig, wo vorher allein Oberfläche gewesen war, da gab es nun viele übereinanderliegende Schichten, und er war sich sicher,

Weitere Kostenlose Bücher