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Klingsors letzter Sommer

Klingsors letzter Sommer

Titel: Klingsors letzter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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und Wald,
    da und dort schon ein gelber Akazien-
    zweig, der Westhimmel golden und grün
    über sammetblauen Bergen.
    Oh, jetzt noch arbeiten zu können, in der
    letzten, verzauberten Viertelstunde des rei-
    fen Sommertages, der nie wieder kam! Wie
    namenlos schön war alles jetzt, wie ruhig,
    gut und spendend, wie voll von Gott!
    Klingsor setzte sich ins kühle Gras, griff
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    mechanisch nach dem Bleistift und ließ die
    Hand lächelnd wieder sinken. Er war tod-
    müde. Seine Finger betasteten das trockene
    Gras, die trockene mürbe Erde. Wie lange
    noch, dann war dies liebe erregende Spiel
    vorbei! Wie lange noch, dann hatte man
    Hand und Mund und Augen voll Erde!
    Thu Fu hatte ihm dieser Tage ein Gedicht
    gesandt, dessen erinnerte er sich und sagte
    es langsam vor sich hin:
    »Vom Baum des Lebens fällt
    Mir Blatt um Blatt.
    O taumelbunte Welt,
    Wie machst du satt,
    Wie machst du satt und müd,
    Wie machst du trunken!
    Was heut noch glüht,
    Ist bald versunken.
    Bald klirrt der Wind
    Über mein braunes Grab,
    Über das kleine Kind
    Beugt sich die Mutter herab.
    Ihre Augen will ich wiedersehn,
    Ihr Blick ist mein Stern,
    Alles andre mag gehn und verwehn,
    Alles stirbt, alles stirbt gern.
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    Nur die ewige Mutter bleibt,
    Von der wir kamen,
    Ihr spielender Finger schreibt
    In die flüchtige Luft unsre Namen.«
    Nun, es war gut so. Wie viele hatte Kling-
    sor noch von seinen zehn Leben? Drei?
    Zwei? Mehr als eines war es immer noch,
    immer noch mehr als ein braves, gewöhn-
    liches Allerwelts- und Bürgerleben. Und
    viel hatte er getan, viel gesehen, viel Papier
    und Leinwand bemalt, viele Herzen in
    Liebe und Haß erregt, in Kunst und Leben
    viel Ärgernis und frischen Wind in die
    Welt gebracht. Viel Frauen hatte er geliebt,
    viel Traditionen und Heiligtümer zerstört,
    viel neue Dinge gewagt. Viele volle Becher
    hatte er leergesogen, viel Tage und Ster-
    nennächte geatmet, unter vielen Sonnen
    gebrannt, in vielen Wassern geschwom-
    men. Nun saß er hier, in Italien oder Indien
    oder China, der Sommerwind stieß lau-
    nisch in die Kastanienkronen, gut und voll-
    kommen war die Welt. Es war gleichgül-
    tig, ob er noch hundert Bilder malte oder
    zehn, ob er noch zwanzig Sommer lebte
    oder einen. Müde war er geworden, müde.
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    Alles stirbt, alles stirbt gern. Braver Thu
    Fu!
    Es war Zeit, nach Hause zu kommen. Er
    würde ins Zimmer wanken, vom Wind
    durch die Balkontür empfangen. Er würde
    Licht machen und seine Skizzen aus-
    packen. Das Waldinnere mit dem vielen
    Chromgelb und Chinesischblau war viel-
    leicht gut, es würde einmal ein Bild geben.
    Auf denn, es war Zeit.
    Er blieb dennoch sitzen, den Wind im
    Haar, in der wehenden, beschmierten Lei-
    nenjacke, Lächeln und Weh im abendli-
    chen Herzen. Weich und schlaff wehte der
    Wind, weich und lautlos taumelten die Fle-
    dermäuse im erlöschenden Himmel. Alle
    stirbt, alles stirbt gern. Nur die ewige Mut-
    ter bleibt.
    Er konnte auch hier schlafen, wenigstens
    eine Stunde, es war ja warm. Er legte den
    Kopf auf den Rucksack und sah in den
    Himmel. Wie ist die Welt schön, wie macht
    sie satt und müd!
    Schritte kamen den Berg herab, kräftig auf
    losen hölzernen Sohlen. Zwischen den Far-
    nen und Ginstern erschien eine Gestalt,
    eine Frau, schon waren die Farben ihrer
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    Kleider nicht mehr zu erkennen. Sie kam
    näher, in gesundem, gleichmäßigem Tritt.
    Klingsor sprang auf und rief guten Abend.
    Sie erschrak ein wenig und blieb einen Au-
    genblick stehen. Er sah ihr ins Gesicht. Er
    kannte sie, er wußte nicht, woher. Sie war
    hübsch und dunkel, hell blitzten ihre schö-
    nen, festen Zähne.
    »Sieh da!« rief er und gab ihr die Hand. Er
    spürte, daß ihn etwas mit dieser Frau ver-
    band, irgendeine kleine Erinnerung.
    »Kennt man sich noch?«
    »Madonna! Ihr seid ja der Maler von Ca-
    stagnetta! Habt Ihr mich noch gekannt?«
    Ja, jetzt wußte er. Sie war eine Bauernfrau
    vom Tavernetal, bei ihrem Hause hatte er
    einst, in der schon so schattentiefen und
    verwirrten Vergangenheit dieses Som-
    mers, einige Stunden gemalt, hatte Wasser
    an ihrem Brunnen geschöpft, eine Stunde
    im Schatten des Feigenbaumes geschlum-
    mert, und zum Schluß einen Becher Wein
    und einen Kuß von ihr bekommen.
    »Ihr seid nie mehr wiedergekommen«,
    klagte sie. »Ihr hattet es mir doch so sehr
    versprochen.«
    Mutwille und Herausforderung klang in
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    ihrer tiefen Stimme. Klingsor wurde leben-
    dig.
    »Ecco, desto besser, daß du nun zu mir
    gekommen

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