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Klippen

Klippen

Titel: Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Adam
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immer ab, meist begleitet von Nicolas. Wir gingen an brachliegenden Grundstücken, niedrigen Häusern mit feuchten Wänden und leeren Bars vorbei, in denen sich Kellnerinnen zu Tode langweilten. An Metzgereien, in denen sich alte Frauen mit Einkaufstaschen drängten. An halb leeren Parkplätzen, die an Supermärkte mit Blechwänden grenzten, Turnhallen mit beschmierten Mauern, Sportplätzen, auf denen die Tore und Basketballkörbe fehlten. Wir trafen die anderen am Waldrand. Die Straße war gesperrt, und dahinter wurde der Beton immer spärlicher, und dann gab es nur noch Erde, Schlamm und Farn, Wäldchen und Lichtungen. Niemand stellte mir je dumme Fragen, niemand scherte sich um mein Alter, und das war gut so. Ich setzte mich auf die Absperrung, ein Kassettenrekorder spielte The Smiths, The Cure, Lou Reed, The Clash oder Nirvana, und die Bässe drangen wummernd in den lockeren, erdigen Boden. Sie waren ungefähr ein Dutzend, manchmal weniger, manchmal mehr, gleich viele Jungs wie Mädchen. Die Jungs kippten einen 8/6er nach dem anderen, Tequila mit Gin. Die Mädchen schlürften Piterson-Cocktails, und ich tat das Gleiche. Joints machten die Runde, und kleine Pillen wanderten von Hand zu Hand. Die Mädchen waren schwarz gekleidet und stark geschminkt, manche hatten blaue, rote oder orangefarbene Strähnen im Haar. Lorette war die Jüngste. Sie begleitete ihre Schwester: Laetitia glich ihr wie ein Ei dem anderen, und an der Art, wie Antoine sie anstarrte, merkte ich, dass sie ihm gefiel. Nicolas übrigens auch. Oft setzte Lorette sich neben mich, und wir teilten uns eine Zigarette. Die Nacht brach über den raschelnden Wald herein, und an manchen Abenden machten wir ein großes Feuer. Wir setzten uns rundherum, einige jonglierten, andere umarmten und küssten sich, und ich beobachtete, wie die Hände unter den Wollpullis umherwanderten. Ein paar verdrückten sich, verschwanden zu zweit oder dritt im Dickicht, und es waren nie dieselben. Von Tag zu Tag bildeten sich neue Pärchen, trennten sich oder fanden wieder zusammen, die Kombinationen änderten und vertauschten sich. Ich ging ihnen nach, suchte im feuchten Unterholz nach ihnen. Ich lief im Dunkeln umher, der Farn ging mir an die Knöchel, und ich zertrat Brennnesseln und Heidekraut. Meine Hände berührten Baumstämme, streiften das regengetränkte Moos. Ich tastete mich blindlings voran, bis ich sie stöhnen hörte. Ich lauschte ihren schmatzenden, küssenden Mündern, ihrer aneinanderklatschenden Haut. Mein Glied schwoll an, bis es fast platzte. Ich holte es heraus und massierte es in der kalten Nacht. Ich ejakulierte in die Büsche, Brombeerranken und Sträucher. Danach kehrte ich zur Gruppe zurück, und Lorette sah mich von der Seite an, vielleicht bildete ich es mir aber auch nur ein. Antoine lächelte und ließ mich von seinem Bier trinken. Er tanzte am Feuer, und Laetitia machte mit. Ihre Augen glänzten, ihre Arme waren ausgebreitete Flügel, ihre Körper unendlich leicht, harmonisch, luftig.
    Manchmal ließen wir uns auch am Fluss nieder. Winzige Sandstrände durchbrachen das Ufer, Baumreihen schirmten uns ab wie ein Vorhang. Auf der anderen Seite waren die Häuser mit Myriaden von Lichtern. Ein paar Feuerschlucker gesellten sich zu uns, die meisten von ihnen wohnten in Ris-Orangis, in einer aufgelassenen Fabrik, die sie besetzt und in der sie ihre Ateliers eingerichtet hatten. Sie warteten mit ihren Auftritten bis zur Dunkelheit, trugen weite Wollpullis, keine feuerfesten Anzüge. Die Flammen schossen aus ihren Mündern und schienen an einer Wand aus Luft abzuprallen. Sie gingen in die Hocke, und feurige Zungen leckten am Fluss, das Wasser färbte sich orange und wurde dann wieder ölig und schwarz. Antoine trank viel, griff nach allem, was man rauchen oder schlucken konnte. Er war wie weggetreten, ein tanzender Körper, ein Körper in Ekstase. Das Feuer, den Fluss, den Himmel und die Nacht konnte er mit Händen greifen. Die Musik rieselte durch jedes seiner Glieder, Liebe durchströmte seine Adern. Er umarmte und drückte uns nacheinander, raunte uns zu, dass er glücklich sei, und sprach mit uns, als müsste er morgen sterben. Als sei für ihn bereits alles gelaufen, alles vorbei. Als habe er das Ziel endgültig verfehlt und komme nur mit Trunkenheit, dem Rausch der Geschwindigkeit und starken Empfindungen darüber hinweg.
    Diese Jahre waren Bandenjahre, und Antoine war für uns alle eine Art Anführer, eine Leitfigur mit magnetischer

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