Klondike
Es ist alles so durcheinander.«
Philip machte vorsichtig darauf aufmerksam, er sei ganz sicher, Kanada zähle gar nicht mehr zu den Kolonien. »Ich dachte, das Dominion Kanada hätte in London eine eigene Vertretung eröffnet, mit allem, was dazugehört? Haben sie nicht sogar einen eigenen Premierminister?«
»Wenn sie unbedingt wollen - solche Konzessionen tun keinem weh. Aber wenn man als Engländer zum Beispiel in Indien unterwegs ist, ist alles so eindeutig. Ich meine, man kommt an, als Weißer, wird sofort an der Kleidung erkannt, überall Offiziere in schicken Uniformen, und dann erst ihre Frauen, sie setzen die besten Traditionen unserer Heimat fort. Leider müssen wir uns das Land mit den Indern teilen.
Sie sind nun mal nicht zu übersehen. Ich habe nichts gegen Inder, manche stecken noch jeden Durchschnittsengländer in die Tasche, einige haben in Oxford studiert und verstehen es, sich in den angesehensten Clubs zu bewegen. Trotzdem, Inder sind nun einmal Inder, und das sollte man nicht vergessen, bist du nicht auch der Ansicht, Harry?«
Carpenter ließ ein zustimmendes Räuspern vernehmen und erzählte dann, daß er während seines Dienstes in Pandschab an der afghanischen Grenze keine feinere Truppe angetroffen habe als die von Probyn’s Horse. »Größtenteils Inder, aber die Tapfersten, mit denen ich jemals Seite an Seite gekämpft habe.«
»Aber die Offiziere waren doch wohl Engländer, oder?«
»Ja. Aber ich will dir eins sagen, Evelyn, wenn es in Europa mal ein bißchen eng wird, und das ist durchaus möglich, dann kannst du Gift darauf nehmen, daß sich die kanadischen Truppen besonders hervortun werden.« Beeindruckt hatte ihn nämlich die Tatsache, daß der durchschnittliche Kanadier, soweit er das beurteilen konnte, offenbar um einige Zentimeter größer war als ein Mann gleichen Alters und gleicher Statur in England. »Das sind kräftige Burschen, Evelyn, ein neuer Menschentyp im britischen Empire.«
»Das Reisen in solchen Zügen ist nicht gerade billig, kann ich dir sagen«, beharrte Luton jedoch, »wir müssen also davon ausgehen, daß die Spreu schon vom Weizen getrennt ist bei dem, was wir hier vorgeführt bekommen. Nicht gerade beeindruckend, muß ich leider feststellen.«
Er befürchtete, Kanada sei durch seine Nähe zu den Vereinigten Staaten bereits verdorben, und immer wenn die Rede auf die riesige Republik im Süden kam, äußerte er zwiespältige Gefühle. »Man wäre ja blind, wenn man nicht anerkennen würde, was dieses energiegeladene Volk auf die Beine gestellt
hat. Bemerkenswert, wirklich bemerkenswert.
Schöne Städte und so weiter, aber bedenken wir auch, daß wir es waren, die ihnen zu diesem fliegenden Start erst verhelfen haben, während der hundertfünfzig Jahre unter unserer Führung. Aber was ihr Einfluß auf Kanada betrifft, da bin ich sicher, der ist destruktiv.«
Carpenter mußte über den Widerwillen seines Freundes, Kanada so zu nehmen, wie es war, lachen. »Evelyn! Ich bitte dich! Du erlebst doch hier auf dem Zug einen Luxus, der unübertroffen ist, selbst in Europa. Entspann dich. Verdirb uns die Freude nicht.« Und Luton erhob sein Glas: »Auf Kanada -so, wie es ist!«
Für Tim Fogarty verlief die Reise nicht so bequem, denn er hatte einen Sitzplatz in einem Wagen, der bei der Eisenbahngesellschaft als »Colonial Car« bezeichnet wurde. Die geniale Konstruktion bestand aus mehreren kleinen Alkoven, je zwei sich gegenüberliegenden Sitzpaaren, mit genügend Zwischenraum für ein Holztischchen, das man bei Bedarf von der Wand, an der es lehnte, herunterklappen konnte, etwa bei den Mahlzeiten, die bei den Gästen dieser Klasse eher wie ein schneller Imbiß ausfielen. Woran der Ire jedoch seinen Spaß hatte, waren die Schlafarrangements, denn schon bald hatte er sich an den endlosen Ausblicken auf Seen und Bäume, die die Landschaft nördlich der Großen Seen bot, satt gesehen.
Abends wurde in den freien Gang zwischen den beiden Sitzreihen ein Gebilde gestellt, das ebenfalls von der Wand heruntergeklappt wurde und so mit den gegenüberliegenden Sitzen ein ebenes Bett bildete, in dem zwei Personen einigermaßen bequem schlafen konnten, falls die Gesellschaft den Passagieren vorher Bescheid gegeben hatte, sie möchten ihre eigenen Decken mitbringen. Aber das war noch nicht alles: Wenn sich vier Passagiere einen Alkoven teilten, ließen sich durch eine Erfindung, an der Fogarty seine helle Freude hatte, Schlafgelegenheiten für zwei weitere Personen
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