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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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es jedoch für klüger, seine Gedanken nicht laut auszusprechen.
    Die Engländer erhielten einen ersten Eindruck von dem Goldfieber, das auch Kanada befallen hatte, als sie zum Schalter der Eisenbahngesellschaft liefen, um ihre Fahrkarten abzuholen. »Oh, Ihre Lordschaft! Sie haben klug daran getan, Ihre Reservierungen telegraphisch vorzubestellen. Ich weiß nicht, was wir sonst für Sie hätten tun können. Zu Hunderten täglich kommen sie und kreischen, sie wollen nach Westen, nach Westen. Ohne Reservierungen hätten Sie lange warten müssen. Bis weit in die kommende Woche sind alle Plätze ausverkauft.«
    »Auch in der ersten Klasse?«
    »Gerade in der ersten Klasse. Die Goldsucher zahlen den Aufpreis gern. Sie sind fest überzeugt, daß sie in sechs Wochen Millionäre sind.«
    Sicher an Bord des stattlichen kanadischen Zuges, der erst seit kurzem die Strecke von der Atlantikküste bis zum Pazifik regelmäßig befuhr, wartete auf die vier Engländer erneut eine der angenehmen Überraschungen, die Reisen zu einem wahren Vergnügen machen konnten, denn es standen insgesamt elf Waggons, davon fünf Luxuswagen, zur Verfügung, um die
    Passagiere bei größtem Komfort und so schnell wie möglich von Montreal nach Ottawa zu befördern - dem Zielort des ersten Fahrabschnitts. Sie reisten natürlich erster Klasse, Luton und Carpenter in einem prachtvollen kombinierten Wohnschlafzimmer, Trevor und Philip ebenfalls, während für Fogarty nur ein einigermaßen bequemer Sitzplatz in einem der weniger teuren Wagen blieb.
    Die Wohnschlafzimmer, Salons genannt, waren mit schweren, dunkelroten Polstermöbeln und geräumigen Klappbetten ausgestattet, aber es war vor allem der lange Speisewagen, der allgemeines Lob erntete. Die praktisch eingerichtete Küche, sie bot Platz für zwei Köche, lag im vorderen Teil des Waggons, und im übrigen Teil des Wagens, bis zur hinteren Tür, standen Tische, hübsch dekoriert mit dicken Leinentüchern, an deren Rändern, den Sitzenden zugewandt, die sorgfältig eingestickten Initialen der Eisenbahngesellschaft zu lesen waren. An den Tischen zu einer Seite des mit Teppichboden ausgelegten Mittelgangs konnten je zwei Personen Platz nehmen, wobei sich die Stühle gegenüberstanden; die größeren Tische auf der anderen Seite waren für vier Personen gedacht, und als Henslow den Wagen zum erstenmal betrat, war sein unmittelbarer Eindruck der von einem alles beherrschenden Weiß, geschmückt mit funkelnden Gläsern und strahlendem Silberbesteck. »Ein Wagen für Gentlemen«, sagte Luton, als er seinen Blick über das Interieur schweifen ließ und auf den Oberkellner wartete, um von ihm an einen Tisch für vier Personen geleitet zu werden.
    Sie wurden mit einem festlichen Mahl verwöhnt, zusammengestellt, um die Gäste in die kulinarischen Reichtümer Kanadas einzuführen: Meeresfrüchte von der Ostküste, saftiges Rindfleisch aus den Prärien, Obst und Gemüse aus Ontario und Desserts aus den französischen Patisserien Montreals, alles serviert von zwei weißen, versiert freundlichen Oberkellnern, assistiert von schwarzen Aushilfskellnern, dazu angehalten,
    den Gästen stets ein Lächeln zu präsentieren.
    »Eine wirklich großartige Einführung in das Land«, freute sich Luton. »Ich hoffe, es ist ein Omen.«
    Doch als er anfing, die anderen Gäste im Speisewagen an jenem ersten Abend ihrer Reise quer durch den Kontinent näher in Augenschein zu nehmen, entdeckte er soviel Fremdes, so viele unterschiedliche Arten, sich zu kleiden und zu sprechen, daß ihm ganz wirr im Kopf wurde. Er merkte sehr schnell, daß man nicht immer ohne weiteres bestimmen konnte, aus welcher sozialen Schicht jemand stammte. »Sie sprechen alle dieselbe Sprache, ob arm oder reich, nicht der geringste Unterschied, außer bei denen, die ihre Schulbildung offenbar in England genossen haben.« Was ihm am meisten zu schaffen machte, war das forsche Auftreten der Fahrgäste, ihre Ungezwungenheit, der Mangel, wie er sich ausdrückte, »an klar erkennbarer sozialer Ordnung.« In den Gängen drängten und schoben sich die Menschen aneinander vorbei, niemand zollte offensichtlich Höherstehenden Achtung, und als dann noch in Fort William zahlreiche amerikanische Fahrgäste den Zug bestiegen, schienen selbst die wenigen Anstandsformen, die die Kanadier noch beachtet hatten, vergessen zu sein.
    »Manchmal«, beklagte er sich bei den beiden Jüngeren, »manchmal möchte man kaum glauben, daß wir uns in einer englischen Kolonie befinden.

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