Klondike
bereitstellen, die der Ire jetzt auch tagsüber in Anspruch nahm.
Von Haken am äußersten Rand der Seitenwände ließen sich dicke Ketten herunterlassen, an denen die Rahmen bettähnlicher Plattformen hingen. Sie baumelten sozusagen von der Decke, und die Passagiere konnten mit Hilfe einer kleinen Leiter hinaufklettern. Dort, hoch oben über den anderen Fahrgästen, konnten sie es sich bequem machen, alle viere von sich strecken, ihre Decken ausbreiten und die Reise quer durch den Kontinent verschlafen. Was diese luftigen Lagerstätten so gemütlich machte, daß man sich wie zu Hause fühlte, waren die im hinteren Teil des Wagens aufgestellten Holzöfen, auf denen die Fahrgäste ihr Essen kochen konnten, das sie selbst mitgebracht oder sich auf einem der vielen Bahnhöfe unterwegs gekauft hatten. Durch den ganzen Wagen, vor allem in Höhe der Decke, schwebte so unaufhörlich ein Duft, der an den heimischen Herd erinnerte.
Die einzige Schattenseite, die Fogarty ausmachen konnte, waren die mit einem häßlichen, glänzenden Lederimitat bezogenen harten Sitze, kaum nachgebender als ein Brett, ein Umstand, der sich schon nach einem Tag bemerkbar machte.
Die Reise von Montreal nach Edmonton überspannte eine unvorstellbar weite Strecke, die sich in vier deutlich voneinander unterscheidbare Abschnitte aufteilte: von Montreal nach Fort William, an der Spitze des Oberen Sees, 995 Meilen in zweiunddreißig Stunden; von Fort William nach Winnipeg, der Hauptstadt des westlichen Kanada, 427 Meilen in vierzehn Stunden; von Winnipeg nach Calgary, einer turbulenten Grenzstadt, 840 Meilen in dreißig Stunden, und schließlich von dort in den hohen Norden, nach Edmonton, 192 Meilen in elf Stunden. Somit erstreckte sich die Reise insgesamt über 2454 Meilen bei einer Fahrtzeit von siebenundachtzig Stunden, nicht mitgerechnet die Aufenthalte auf Bahnhöfen und die Zeit fürs
Beladen mit Brennstoff und Nachfüllen des Wassertanks. Da die meisten Fahrgäste an den Endstationen der einzelnen Abschnitte die Gelegenheit nutzten und sich Unterkünfte in Hotels oder Wirtshäusern besorgten, nahm die Reise mindestens sechs Tage in Anspruch, was von Vorteil war, denn auf diese Weise erschloß sich Kanada für die Reisenden in kleinen, verdaubaren Portionen. Die Engländer vom französisch geprägten Montreal unmittelbar in die Grenzstadt Edmonton zu verfrachten wäre eine Überforderung gewesen. Für eine erste Unterbrechung der Reise eignete sich das kleine Fort William besonders gut. Den Engländern fiel auf, daß der Goldrausch eigentlich schon hier seinen Anfang nahm, denn hier begann der westliche Streckenabschnitt der nationalen Eisenbahngesellschaft, hier trafen Goldsucher aus allen Teilen des Landes ein, vor allem aber Amerikaner über die kleineren Zubringerstrecken, die aus den Vereinigten Staaten nach Kanada führten. Hier war auch Endstation für die Passagierschiffe, die auf den Großen Seen pendelten, und der Fahrgast konnte, wenn er Zeit und Geld hatte, von der gängigen, durch Nord-Ontario führenden Reiseroute abweichen, statt dessen nach Toronto und über den Detroit-Fluß weiter nach Windsor reisen, sich auf einem Luxusdampfer einschiffen, ein paar herrliche Tage auf dem Huron-See und dem Oberen See verbringen, in Fort William von Bord gehen und die Bahnfahrt Richtung Pazifik fortsetzen.
Im Sommer des Jahres 1897 bestiegen in Fort William ganze Horden von Goldsuchern die Züge nach Winnipeg und Calgary, und das Team von Lord Luton, das solche Menschen zum erstenmal aus der Nähe sah, empfand sie als plumpe, unbeholfene Personen. Die meisten waren alleinstehende Männer, auch wenn einige in Gruppen zu zweit oder dritt angereist kamen, aus kleineren Ortschaften irgendwo in Ohio oder Michigan. Gelegentlich war ein Paar unter ihnen, wobei die Frauen stets groß und kräftig und tüchtig aussahen. Erstaunlich viele unter den Ankömmlingen, die sich der Karawane anschlossen, hatten sich nur kurze Zeit in den Vereinigten Staaten aufgehalten, sie stammten aus Deutschland oder Skandinavien, ab und an war auch ein Ire dabei, seltener dagegen abenteuerlustige Franzosen. Es waren Männer in Aufbruchstimmung, die meisten Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig, manchmal auch solche, die schon Grau angesetzt und die Vierzig oder Fünfzig überschritten hatten. Mit ihrer rauhen Kleidung, ihren armseligen Pappkoffern und ihrer ungeschliffenen Sprache boten sie wahrlich keinen erhebenden Anblick.
Wenige Stunden bevor unsere Reisenden in
Weitere Kostenlose Bücher