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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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die Umstehenden.
    Minutenlang verharrte Luton im Schatten, von den Tänzern unbemerkt, aber durch ein Schwingen seines eigenen Körpers doch teilnehmend an ihrem stillen Taumel. Obwohl ihn der Rhythmus gepackt hatte, dachte er bei sich: »Wilde! Solche kenn’ ich aus Afrika und dem Amazonasgebiet. Überall in der Welt dieselben.« Er hielt mit dem Schaukeln ein, gleichzeitig führte er den rechten Daumen zum Mund und fing an, am Fingernagel zu kauen, während er weiter die hypnotisierende Szenerie verfolgte. »Wie viele Generationen noch, bevor diese Wilden eine anständige Kultur zuwege bringen?«
    Er wurde aus seinen Gedanken gerissen von einem Mann, der von hinten an ihn herantrat und in gebrochenem Französisch sagte: »Schwarzfüße. Der mächtigste Indianerstamm hier im Grenzland. Lassen Sie sich von der Tanzerei nicht täuschen. Fangen Sie Streit an, hängen gleich hundert Messer an Ihrer Kehle.«
    Als gebildeter Engländer verfügte Luton selbstverständlich über ausgezeichnete Französischkenntnisse und obwohl er Montreal das dominierende französische Element übelnahm, hieß er den Fremden hier doch willkommen. »Was wollen sie hier in Edmonton? Ich meine, die Indianer?«
    »Sie sind seit Jahrhunderten hier ansässig, behaupten sie wenigstens. Ihr habt Fort Edmonton genau an der Stelle errichtet, wo sie früher ihre Tanzfeste abgehalten haben, sagen sie.«
    »Sind Sie ein Schwarzfuß?«
    »Mestize. Es ist lange her, aber mein Großvater soll ein Schwarzfuß gewesen sein. Mein Vater kommt aus Schottland, sagen sie.«
    »Ihr Name?«
    »Simon MacGregor.«
    »Klingt schottisch«, konstatierte Luton. Die beiden Zuschauer verfielen in Schweigen, als sie sich wieder dem gleichförmigen Tanz der Schwarzfußkrieger zuwandten, dann fragte Luton: »Passiert irgend etwas bei diesem Tanz? Ich meine, lohnt es sich zu warten?«
    »Es ist immer dasselbe. Manchmal dauert es fünf Stunden lang«, antwortete der Mestize, diesmal auf englisch.
    Luton stieß vor Überraschung ein leises Pfeifen aus, das zwei aus der Reihe der Tänzer hörten. Sie traten aus dem Schatten hervor und fragten in gebrochenem Französisch und mit einer gewissen Scheu: »Sie Tanz mögen? Sie wollen mittanzen?« Und als er es versäumte, mit allem Nachdruck deutlich zu machen, er habe für solch albernes Posieren nichts übrig, faßten sie dies als Zustimmung auf. Freundlich, geradezu feierlich, posierten sie links und rechts von ihm, schoben ihn sanft nicht in Richtung der Tänzer, sondern zu einem flachen Rund, unweit der Stelle, wo er gestanden hatte, und wiesen ihn in die Schrittfolge ein, der die Gruppe folgte.
    Da die beiden Männer in der Tracht der Schwarzfußindianer gekleidet waren - in reichverzierten Jacken aus Hirschfell, enganliegenden, unterhalb des Knies geschnürten Hosen mit grellbunten Lederaufsätzen, auf den Wangen rote und blaue Streifen - und sich Lutons eher gesetzteres Gehabe zwischen den beiden Kriegern vorteilhaft ausmachte, bildeten sie ein hübsch anzusehendes Trio. Der Widerschein des großen Feuers in der Mitte des Runds warf malerische Schattengebilde auf ihre stattlichen Gesichter, was den Mestizen dazu veranlaßte, verhalten Beifall zu klatschen: »Très bien! Les danseurs magnifiques!«
    Luton, über sich selbst erstaunt, probierte ein paar neue Schritte, aber als die Männer ihn regelrecht an die Hand nahmen, um ihm den Tanz richtig beizubringen, stieß er sie beiseite und verließ fluchtartig die Szene. Fassungslos blickten die Zurückgebliebenen der davonrennenden Gestalt hinterher, legten die grobe Zurückweisung als einen erneuten Beweis für den bösen Willen des weißen Mannes aus, zuckten mit den Achseln und machten sich ebenfalls davon.
    Luton, nun wieder allein, hatte, wie schon vorher, nur Tänzer anderer primitiver Stämme vor Augen, die er selbst gesehen hatte, und sein Unbehagen gegen die Indianer Kanadas nahm zu. Sagte ihm schon seine Vorstellung von den Vereinigten Staaten nicht zu, bildete sich jetzt eine ähnliche Abneigung gegen die von Indianern bewohnten Landstriche Kanadas heraus, und mit gemischten Gefühlen kehrte er ins Hotel zurück.
    Obwohl es schon sehr spät war, holte er seine drei Kameraden aus dem Bett und schickte Philip los, auch Fogarty Bescheid zu sagen. Als alle anwesend waren, hieß er Harry die große Karte ausbreiten und informierte sie in einer eindringlichen, meisterhaften Rede über eine ganze Reihe von Entscheidungen, die er getroffen hatte: »Unter gar keinen Umständen

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