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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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uns auch.«
    »Aber wie?«
    »Auf dem einzig vernünftigen Weg. Den Mackenzie runter, das Boot über die Wasserscheide schleppen und dann bis Dawson.«
    Nachdem das klargestellt war, ergriff Irina erneut Philips Hand, blickte ihm tief in die Augen und sagte mit weicher Stimme: »Ich bin ja so froh, daß Sie mich angehalten haben ... mir diese Fragen gestellt haben. Bitte, bitte, hören Sie auf meine Jungs. Nehmen Sie auf keinen Fall diese Route. Es wäre Ihr sicherer Tod.«
    Sie brachte das mit einem solchen Ernst hervor, daß Philip für einen Moment in Schweigen verfiel. Dann sagte er, wobei er sich vor jedem der auskunftwilligen Personen verbeugte: »Ihr Leute aus Norddakota seid sehr freundlich und hilfsbereit zu mir gewesen. Ich hoffe, Ihr werdet bis zu den Goldfeldern vorstoßen.«
    Irina antwortete für die ganze Sippe, als sie entgegnete: »Das hoffen wir auch.« Als Ausdruck der brüderlichen Gemeinschaft, der sich alle Goldgräber in Edmonton zugehörig fühlten, überraschte sie ihn erneut mit einer warmherzigen Geste, umklammerte seine Hand, schenkte ihm ein kurzes Lachen und wiederholte dann in einer Stimme, die mit einemmal kalt und stählern klang: »Gehen Sie nicht den Landweg. Sie sind viel zu jung, zu sterben«, worauf sie sich zu ihm hochreckte und ihn küßte.
    Halb erwartend, daß nun ihr Mann über ihn herfallen würde, hörte er Steno statt dessen sagen: »Hören Sie auf sie, junger Mann. Wir tun’s auch«, worauf sich die vier auf ihren Fußmarsch zum Mackenzie machten. Während sie im anhaltenden Dämmerlicht untertauchten, dachte Philip, noch ganz benommen von dem Abschiedskuß: ›Wäre das nicht wundervoll, so jemanden zur Frau zu haben? So mutig, immer zu einem Lachen aufgelegt, und so großzügig anderen Menschen gegenüber. Ob wohl alle Frauen in Amerika so sind?‹
    Als die vier von Lord Luton mit Nachforschungen Beauftragten wieder zusammenkamen, um die Ergebnisse ihrem Meister vorzutragen, hörte er sich mit gespanntem Gesichtsausdruck die ernüchternden Berichte an und stellte anschließend jedem dieselbe Frage: »Bist du selbst zu dem Schluß gekommen?«, worauf jeder ihm die schockierenden Tatsachen nannte, die aus ihrer Befragung deutlich hervorgegangen waren. Überzeugt, daß sie mit ehrlichen Absichten losgegangen waren und auch ihre Schlußfolgerung glaubwürdig war, jeder Versuch, über den Landweg an das Gold zu kommen, sei der helle Wahnsinn, erhob er sich abrupt, nickte mit dem Kopf und stolzierte aus dem Zimmer. »Ich muß mir selbst ein Bild machen«, ließ er vernehmen und verschwand in den lauen Abend.
    Hochgewachsen, schlank, sorgsam gekleidet, die aristokratische Adlernase gen Himmel gereckt, als wollte er ihr den Geruch des Pöbels nicht zumuten, spazierte er herum, in gebührendem Abstand zu den Goldgräbern, die kein Quartier mehr gefunden hatten und auf der Erde schliefen, ihre Habseligkeiten um sich herum aufgetürmt. Nach kurzer, verhaltener Befragung war ihm klar, daß unter ihnen nicht einer war, der Näheres wußte, und eine tiefe Traurigkeit überkam ihn: Narren allesamt, von Narren verführt. Sie sind verloren. Er traf auf zwei Männer, die aus einem Dorf in Kanada stammten und die den Landweg per Fahrrad zurücklegen wollten, die Ausrüstung gedachten sie, in kleine Anhänger verstaut, hinter sich herzuziehen. Er hielt sie an und fragte: »Und was wollen Sie als Wintermäntel benutzen, wenn ein Schneesturm aufzieht?« Aber die beiden entgegneten geistreich: »Bis dahin sind wir längst in Dawson.« Er unternahm erst gar nicht den Versuch, sie aufzuklären, aber seine Niedergeschlagenheit verstärkte sich noch.
    Unter ihnen wandelnd wie ein Engel, der alles hört und sieht, weise und unparteilich, murmelte er immer wieder: »Verloren! Verloren! Das Dreiergespann da drüben wird nicht mal bis November überleben.« Und er faßte den festen Vorsatz, seine eigene Expedition nicht blindwütig in diesen Wahnsinn zu stürzen: Wir sind Männer mit Sinn und Verstand, wir werden uns nicht wie Idioten aufführen.
    In diesem Augenblick lief ihm ein alter Mann über den Weg, der zielstrebig auf etwas zuzugehen schien, als hätte er Wichtiges zu erledigen, obwohl es schon eine Stunde vor Mitternacht war. Luton wandte sich an ihn mit den Worten: »Guter Mann, können Sie mir helfen und etwas Vernunft in diesen Irrsinn bringen?«
    »Irrsinn, das kann man wohl sagen«, erwiderte der Mann mit stark schottisch gefärbter Aussprache, als er seinen Blick über die

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