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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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gebracht hatte, immer kam er bei seinen Überlegungen zu einer quälenden Schlußfolgerung: Es war eine Pflichtversäumnis gewesen, die Gruppe nicht den Liard flußaufwärts geführt zu haben, und eines Abends überraschte er die anderen, als er nervös mit den Fingern auf den Tisch klopfte und jammerte: »Verflucht, ich hätte die Schwierigkeit anpacken sollen.«
    »Was soll das heißen, Evelyn?« fragte Harry, und Luton erwiderte: »Während wir den Mackenzie hinuntertrieben, ließ ich mich faszinieren von der Umgebung. Meine Pflicht wäre es gewesen, uns einen Weg über die Rockies zum Yukon zu suchen, aber ich habe das verschlafen.«
    »Aber Evelyn, du hast doch noch drei oder vier andere Wahlmöglichkeiten. Den Gravel hier und die anderen Flüsse am Anfang des Delta. Du solltest dich alles andere als beschämt fühlen, und uns im Stich gelassen hast du schon gar nicht.«
    Luton wollte sich nicht trösten lassen. Er wußte besser als die anderen, daß er pflichtvergessen gehandelt hatte, die Tage einfach vorbeistreichen zu lassen, als die »Sweet Afton« friedlich den großen Strom hinuntertrieb. »Ich fühle mich wie ein griechischer Krieger, der sich am Vorabend der Schlacht in den Traum flüchtet und den Zusammenstoß verträumt ... überkommen vom süßen Schlaf des Vergessens.«
    Während dieser Tage der Selbstkasteiung kam ihm merkwürdigerweise nicht einmal in den Sinn, daß er sich durch Zufall genau an der Stelle befand, die am günstigsten gewesen wäre, wenn im Juni das Eis auf den Flüssen schmolz: Von da aus ein Spurt den Gravel aufwärts, bis das Boot die Windungen nicht mehr schaffen würde, Zersägen des stabilen Rumpfes in zwei Hälften, brutale Kraftanstrengung erfordernde, aber nur kurze Portage über einen der besten Pässe der Rockies, Übersetzung von dort zum Stewart und ohne Probleme bis Dawson
    - und sie wären am Ziel angelangt.
    Mehrere Male hatte man ihn auf diese Route aufmerksam gemacht, aber die Tatsachen hatten sich einfach nicht in seinem Kopf festgesetzt, denn von irgendwoher hatte er die fixe Idee, er müsse - eine Frage der Ehre für ihn - den Mackenzie bis zur Mündung runtersegeln und sich dann, welche Gefahren auch drohen mochten, seinen Weg weiterbahnen und gleichzeitig doch immer auf kanadischem Boden bewegen. Ironischerweise hätte die Route den Gravel flußaufwärts die meisten dieser Bedingungen großartig erfüllt, doch das hatte Luton nicht erkannt.
    Halsstarrig, wie er war, schalt er sich weiter selbst, bis er fast krank vor Selbstvorwürfen war, denn zu versagen wog schwer in den Augen eines Mannes wie Luton. Als er seine Mannschaft einmal in ein wichtiges Cricketspiel gegen Sussex führte
    - jedenfalls hielt er es für wichtig -, war er gezwungen, eine dieser schnellen Entscheidungen herbeizuführen, wie sie offenbar nur im Cricketspiel vorkommen: Seine Mannschaft hatte einen bequemen Vorsprung, aber um das Spiel als Ganzes zu gewinnen, mußte er Sussex noch vor Ablauf der Zeit matt setzen, also ließ er sie nochmals antreten, das heißt außer der Reihe schlagen - in der Hoffnung, seine Werfer würden die Gegner in Kürze vom Platz räumen. Die Gauner aus Sussex kämpften jedoch wie besessen, übernahmen die Führung und bauten ihren Vorsprung noch gewaltig aus, erklärten das Spiel vorzeitig für beendet, bevor ihre letzten Männer draußen waren, und überließen dann Lutons Team das Feld, um aufzuholen. Etwas Schreckliches geschah: Die Ballmänner aus Sussex entwickelten sich zu den reinsten Granatwerfern, schleuderten tödliche Schüsse auf Lutons Leute ab, so daß am Ende nicht er der Kluge war, der Sussex überlistet hatte, sondern sie ihn reingelegt hatten was ihn tief schmerzte. Es war eine Katastrophe, an die er sich des Nächtens häufig erinnerte, »die Arroganz der Macht« nannte er es, und die Erinnerung daran tat noch immer weh Er machte sich dieselben Vorwürfe, die Fahrt über den Mackenzie verpfuscht zu haben, und er weigerte sich, auf Carpenter zu hören, der ihm als sein Freund wahrheitsgemäß sagte: »Evelyn, es läßt sich alles machen. Du wirst sehen, es wird eine großartige Reise, wenn das Tauwetter einsetzt.«
    Luton wollte keinen Trost annehmen, und er fühlte sich persönlich verantwortlich für das, was er als eine drohende Katastrophe ansah. Er verfiel auf einen absurden Gedanken: »Gentlemen«, sagte er eines Abends vor dem Gebet, das er regelmäßig sprach, »ich habe einen Plan ausgearbeitet. Es ist wirklich ganz einfach. Bis zum

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