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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Hudson-Bay-Posten in Fort Norman sind es weniger als fünfzig Meilen ...«
    »Und was hat das mit uns zu tun?« fragte Carpenter, und Luton überraschte ihn mit der Antwort: »Sie kennen die Geheimnisse des Flußsystems im Oberlauf. Sie haben Karten dort und dergleichen. Mit ihrer Hilfe kann ich die richtige Entscheidung treffen, was ich tun soll, wenn die Eisschmelze einsetzt.«
    »Evelyn«, entgegnete Carpenter mit erprobter Geduld, »begreifst du denn nicht, daß Fort Norman von uns aus gesehen flußabwärts liegt. Wenn die Schmelze kommt, fahren wir ohnehin direkt daran vorbei. Wir können es gar nicht verpassen, selbst wenn wir wollten. Dreißig Minuten an Land, und wir erfahren alles Wissenswerte.«
    Luton widersetzte sich standhaft dieser vernünftigen Lösung und fuhr nicht nur fort, seine Vorbereitungen für den fünfzig Meilen weiten Marsch zu dem Außenposten zu treffen, sondern verblüffte seine Mannschaft auch noch mit dem kindischen Beharren darauf, allein zu gehen. Als sie Einwände gegen die Tollkühnheit der Unternehmung erhoben, fiel er ihnen ins Wort und bestimmte mit seiner ruhigen Autorität: »Das ist meine eigene Verantwortung, allein meine, und ich werde alles Nötige herausbekommen.«
    Nach einer hitzig geführten Auseinandersetzung, in deren Verlauf er herausplatzte, er werde gleich morgen aufbrechen, beriet sich Carpenter hinter vorgehaltener Hand mit den beiden Jüngeren. »Habt ihr irgendwelche Anzeichen von Labilität an Evelyn beobachten können? Ich meine nicht auf dieser Reise, aber vorher? Zu Hause?«
    »Nein, keine«, antwortete Philip mit fester Stimme, und Trevor enthielt sich eines Kommentars, aber als Harry fortfuhr: »Was quält den alten Knaben bloß?«, entgegnete Trevor leise: »Ich glaube, er tadelt sich selbst, weil er auf dem Fluß keine klare Entscheidung getroffen hat, vor allem weil er dazu bereit schien, nachdem er den Atlantik überquert hatte . und in Edmonton .« Als keiner ein Wort sagte, fügte der junge Dichter hinzu: »Vielleicht hat er das Gefühl, er muß eine Schuld abtragen ... nicht uns gegenüber, aber der Expedition.« Er spürte, er verlor sich auf geheimnisvollen Pfaden, und endete matt: »Solche Selbstvorwürfe können wahrlich erdrückend sein.«
    Am folgenden Tag stand Luton in aller Frühe auf, zog seine wärmsten Kleidungsstücke an, nahm ein kräftiges Frühstück zu sich, überprüfte dann sein Gewehr, seinen wertvollen Eiderdaunen-Schlafsack, seinen Vorrat an Patronen und seinen Proviant. Als Harry Anstalten machte, es ihm nachzutun und seine eigenen Vorbereitungen für den unsinnigen Marsch den Mackenzie hinunter zu treffen, unterbrach ihn Evelyn barsch: »Harry, du bleibst hier und wachst über unser Lager. Das ist ein Befehl.« Carpenter machte eine Miene, als hätte er die Worte überhört, doch zur Überraschung aller intervenierte Fogarty: »Er weiß schon, was er tut, Sir.« Und so schlug der edle Lord, gerade erst zweiunddreißig geworden, den Weg zu dem großen Strom ein, begab sich in die Mitte des Flußbetts und machte sich mit Schneeschuhen und Skiern auf den langen Weg nach Fort Norman.
    Da er sich in bester körperlicher Verfassung wähnte, rechnete er sich aus, daß er täglich mindestens fünfundzwanzig Meilen zurücklegen könnte und den Vorposten sicher gegen Ende des zweiten Tages erreicht haben würde. Er aß wenig und hielt angespannt Ausschau nach Tieren, nicht um sie zu töten, sondern um festzuhalten, welches Wild sich zu dieser Jahreszeit draußen zeigte, aber abgesehen von ein paar schwarzen lärmenden Raben entdeckte er kaum etwas. In Unkenntnis darüber, wann der Tag in die Nacht überging, legte er nur sporadisch Ruhepausen ein und marschierte am zweiten Tag zwanzig Stunden ununterbrochen hintereinander den Hauptabschnitt des großen Flusses entlang - ohne Zwischenfälle: keine Knochenbrüche, keine Angriffe von Tieren, ein ganz normaler Ausflug über einen zugefrorenen riesigen Strom bei Temperaturen um minus dreißig Grad und mit wenig Proviant. Seiner spartanischen Zähigkeit verdankte er es, daß er gegen Mittag des dritten Tages in Fort Norman eintraf.
    Seit vielen Jahren einer der am weitesten nördlich gelegenen Vorposten der Hudson’s Bay Company, war Fort Norman traditionell mit drei oder vier Angestellten der Gesellschaft besetzt - Männern, die sowohl Französisch als auch Englisch beherrschten, außerdem zwei oder drei indianische Dialekte -und einem oder zwei halb französischen, halb indianischen

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