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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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da nichts mehr schlimmer kommen konnte, legten die vier Männer das Treibholz bereit, das sie unterwegs aufgesammelt hatten, schnitten sich daraus Bretter zurecht, verschalten und dichteten das durch die Sägerei entstandene klaffende Loch und packten sorgfältig den verminderten Stauraum, wobei sie kein einziges Gepäckstück zurückließen. Als letzte Abschiedsgeste an die nicht benutzte Hälfte des Bootes salutierte Lord Luton vor ihr und wandte sich dann entschlossen dem sie erwartenden Canyon und Dawson City zu, das hundertneunzig Meilen weiter westlich lag.
    Schnell ergab sich ein neuer Alltagsrhythmus. Es wurden zwei Mannschaften gebildet: Luton und Fogarty zogen vorne die Schlepptaue, Harry und Trevor schoben hinten. Wie zu erwarten, stieg Luton als erster ins Wasser, und obwohl er innerlich über die plötzliche Kälte, etwas über dem Gefrierpunkt, zusammengezuckt sein mußte, verriet seine Miene nichts dergleichen. »Werft euch ins Zeug, Männer! Mit gutem Willen schaffen wir es.«
    Jener erste Tag im Wasser war grauenvoll, denn das steinige Flußbett erlaubte kein gleichmäßiges Vorankommen, und an manchen Stellen war der Fluß so tief, daß die Männer bis zum Hals im Eiswasser untertauchten. Die Hälfte ihrer Kraft ging bei dem Bemühen drauf, aufrecht zu gehen, das Weiterkommen war daher minimal, und alle hofften auf ein unerwartetes Ende des Canyon und daß sie am Ufer bald festen Untergrund vorfinden würden, um so endlich eine Möglichkeit zu haben, ein richtiges Schlepptau anzusetzen. Der Tag ging vorbei, ohne daß sicheres Ufergelände aufgetaucht wäre, und Carpenter dachte bei sich: »Das wird die reinste Hölle, wenn die Nacht anbricht und wir festsitzen.« Doch die gefürchtete Notlage wurde vermieden, denn der Canyon hatte schließlich doch ein Ende, und am linken Ufer gab es festen Boden zum Schleppen. Mittlerweile waren die Männer so erschöpft, daß sie davon keinen Gebrauch mehr machen konnten, und als die Nacht heranrückte, hievten sie ihre Bootshälfte an Land und schlugen ein Lager auf.
    Bevor sie sich schlafen legten, führten sie noch eine sonderbare Unterhaltung, aber diese Dinge interessierten sie nun einmal. »Sag mal, Carpenter, was meinst du?« fragte Luton. »Wer hatte die schwerere Aufgabe draußen im Wasser? Wir vorne am Schlepptau oder ihr Schieber hinten?« Ohne einen Augenblick nachzudenken, meinte Harry: »Ihr vorne.« Und als Luton wissen wollte, wieso, erhielt er die zutreffende Antwort: »Weil wir uns da hinten gegen die Bootswand lehnen können, um festen Halt zwischen den Steinen zu kriegen.« Und Luton sagte: »Habe ich mir gedacht. Von jetzt an werden wir uns in Abständen abwechseln.«
    Wenn kein Canyon die Uferlinie ausgelöscht hatte, schafften die vier natürlich einen beachtlichen Tagesschnitt; sie stellten sich einen kurzen, wenn auch anstrengenden Transport des Bootes über irgendeinen Bergpaß und einen schnellen Abstieg nach Dawson vor, und schon erhielten ihre Hoffnungen neuen Auftrieb. Mit erschreckend zunehmender Häufigkeit wurden sie jedoch von Stromschnellen, gewaltiger als jener ersten, aufgehalten; dann hieß es für die Männer, die Zähne zusammenzubeißen, in das frostige Wasser zu springen, die Steinbrocken aus dem Weg zu räumen und ihr Boot in alter Manier westwärts zu schleppen und zu schieben, aber die schlimmste Strafe kam erst, wenn sie wieder aus dem Wasser stiegen, triefend vor Nässe, und sie in der zunehmenden Kälte zittern mußten, bis sie unbeholfen die Kleidung abgelegt hatten und in trockene geschlüpft waren.
    Eines Tages Mitte August, sie hatten noch hundertsechzig Meilen auf dem Fluß vor sich, Trevor Blythe war gerade in der hinteren Position, am Schieben, kam ihm urplötzlich die furchtbare Tatsache zu Bewußtsein, daß sie es nie im Leben schaffen würden, die Rockies zu überqueren, noch bevor der nächste Winter den Peel River zugefroren und sich Schneeverwehungen an allen Pässen aufgetürmt hatten. »Gott im Himmel«, flüsterte er vor sich hin, während er sich zwischen den Steinen vorankämpfte. »Noch ein Winter eingesperrt. Und das bei dem wenigen Proviant, um uns durchzubringen.«
    An diesem Tag sagte er noch kein Wort, aber er fing an, in den Gesichtern seiner Kameraden zu lesen, versuchte zu ermitteln, ob sie überhaupt eine Ahnung von der ausweglosen Situation hatten, in die sie buchstäblich hineingestolpert waren und in die sie sich von Tag zu Tag tiefer hineinmanövrierten. Schlüsse auf ihre innersten

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