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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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James Cook im Jahrhundert zuvor geleistet hatte, der Skorbut als den
    Fluch aller seefahrenden Menschen fast im Alleingang ausgerottet hatte. Indem er sie förmlich zwang, ein nach ihrer Beschreibung »Übelkeit erregendes gepanschtes Gesöff« zu trinken, das Zutaten wie Gemüse, Seegras, Wurzeln und den Dicksaft aus fermentiertem Sauerkraut enthielt, hatte er der Diät seiner Mannschaft unbewußt auch den spezifischen Nährstoff beigemischt, der Skorbut ausmerzte. Die Forscher, die dann später Experimente durchführten, meinten allerdings: »Cook mischte seine Medizin aus acht verschiedenen Flüssigkeiten, von denen sieben absolut wirkungslos waren, aber mit irgendeiner von ihnen war er zufällig auf etwas gestoßen, das Ascorbinsäure, also Vitamin C, enthielt, und das hat ihn gerettet.«
    Luton und Carpenter war bekannt, daß man Ascorbinsäure in kleinsten, aber lebensrettenden Mengen erhielt, wenn man Wurzelwerk ausgrub, es kochte und dann die Flüssigkeit trank. Aber welche Wurzeln waren geeignet? Forschungsreisende wußten in der Regel nie, welche spezifische Pflanze das wertvolle Heilmittel enthielt, eine bunte Mischung jedoch schien aus irgendeinem seltsamen Grund immer das Richtige zu liefern. Lutons Mannschaft aber war es gar nicht möglich, nach Wurzeln und Kräutern zu graben, denn der arktische Boden, auf dem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, war so fest und über einen so langen Zeitraum im Jahr gefroren, daß normale Pflanzen dort gar nicht gedeihen konnten. Solche, die sich möglicherweise als wirksame Heilpflanzen erwiesen hätten, waren im Erdreich eingeschlossen, das wiederum bis in tiefe Schichten hinein zu Eis erstarrt war, so daß man nicht an sie herankam. Wahrscheinlich schlummerte ihr Retter irgendwo unter ihren eigenen Füßen, aber bis zu ihm vorzudringen war unmöglich.
    Der Zustand von Harry Carpenters Bein war bedenklich, aber nicht verhängnisvoll; ein kräftiger Mensch wie er, mit seiner ungeheuren Seelenstärke, mit seiner Entschlossenheit, hatte gute Chancen zu überleben. Bei ihrer Rückkehr ins Lager unterließen es Fogarty und er daher, Lord Lutons ohnehin nicht geringe Sorgen um die Mitteilung zu vergrößern, noch ein zweites Mitglied seiner Expedition habe Skorbut; allerdings mahnten sie, es sei unbedingt notwendig, an Fleisch zu kommen. Luton, Carpenter und Fogarty zogen los, die Gegend zu durchstreifen - Blythe war zu schwach auf den Beinen, um sich ihnen anzuschließen -, und obgleich sie an diesem Tag und auch am darauffolgenden nichts vor die Flinte bekamen, ließen sie sich trotz ihrer Entkräftung nicht davon abhalten weiterzusuchen, und am dritten Tag schließlich erlegten sie ein kleines Karibu, das sie mit Freude an Ort und Stelle schlachteten und die Fleischbrocken dann nach Hause schleppten.
    Es wirkte Wunder. Harry meinte gar: »Als das gebratene Fleisch meinen Magen füllte, spürte ich, wie die heilenden Säfte in die verkümmerten Venen strömten.« Und Blythe behauptete dasselbe. Sie unterlagen einer Selbsttäuschung, denn nicht einmal frisches Fleisch konnte den Vormarsch dieser abscheulichen Krankheit aufhalten - das ließ sich nur durch Auffüllung des verbrauchten Säurehaushalts erreichen -, aber die Heilwirkung des Fleisches auf ihren Organismus rief einen so starken Eindruck eines wiedererlangten Wohlbefindens hervor, daß Trevor glaubte, er käme wieder zu Kräften, und Harry der festen Meinung war, sein faulendes Bein sei auf dem Wege der Genesung.
    Es sollte für Wochen das letztemal sein, daß sie frisches Fleisch genießen konnten. Eines Abends, als die Männer fast umkamen vor Hunger, verkündete Lord Luton als Hüter der sechs Fleischkonserven in geradezu heiterer Stimmung: »Gentlemen, heute feiern wir ein Fest!« Mit übertriebenem Zeremoniell stellte er eine der kostbaren Konservendosen auf den klobigen Tisch und verfolgte mit zustimmendem Blick, wie Fogarty sie mit einer Axt öffnete, den Inhalt in einen Kochtopf stülpte und alles hineinwarf, was er sonst noch auftreiben konnte. Während sie darauf warteten, daß das Festmahl gar wurde, hörten sie draußen den arktischen Wind um ihre Hütte heulen, und - aus welchem Grund auch immer, niemand hätte eine Erklärung dafür gehabt - sie fingen an, die Weihnachtslieder aus ihrer Kindheit erst zu summen, dann aus voller Kehle zu singen. Als man zu dem großartigen alten englischen »The Holly and the Ivy« kam, ein Lied, das in anderen Ländern des Empire nicht gern gehört wurde, tönte

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