Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
Vom Netzwerk:
immer dieselben vier Worte von sich gab: »Besser raus als rein.« Er hatte recht, und da es außerdem einen Tadel an die anderen enthielt, die mit weniger abgehärteten Hinterteilen gesegnet waren, löste es allgemein Verstimmung aus. Keiner unternahm irgend etwas dagegen, bis eines Abends, als die Routine lustvoll wiederholt wurde, Lord Luton nach seinem Revolver langte und brüllte, ja, er schrie Fogarty an: »Noch einmal, und ich puste dir das Gehirn aus dem Schädel!«
    Verstörtes Schweigen war die Folge. Jeder spürte, wie verzweifelt ihre Lage war. Keiner hielt es für notwendig, sich für Lutons Verhalten zu entschuldigen, und er selbst sagte keinen Ton. Am Ende war es Fogarty, der begriff, wie anstößig er gewirkt haben mußte. »Tut mir leid, Milord«, entschuldigte er sich und fügte dann hinzu, so als sei nichts vorgefallen: »Ich glaube, ich habe die Stelle gefunden, wo die Karibus vorbeiziehen.« Luton legte seinen Revolver wieder ab und entgegnete ruhig: »Das will ich hoffen. Wir werden uns auf Sie verlassen müssen, Fogarty.«
    Wochenlang blieben Fogartys Bemühungen, frisches Fleisch zu besorgen erfolglos, selbst wenn Carpenter ihn als zweiter Schütze begleitete, kehrten sie mit leeren Händen zurück.
    Nahrung wurde jetzt das Problem, das alle anderen unbedeutend erscheinen ließ, und als der in Edmonton gekaufte Proviant rapide zur Neige ging, mußte sich jeder mit noch geringeren Rationen zufriedengeben. Mit tiefer Besorgnis sahen sie mit an, wie eine Konservendose nach der anderen vorsichtig geöffnet, bis auf den letzten Bissen geleert und anschließend ausgekratzt wurde. Aus irgendeinem seltsamen Grund, den niemand hätte erklären können, wurden die sechs in Edmonton eher zufällig erworbenen Fleischkonserven für sakrosankt erklärt. Sie durften erst im alleräußersten Notfall angerührt werden. Ordentlich übereinander gelagert in der Ecke, standen sie für eine letzte Überlebenschance. Der Stapel wurde so etwas wie eine religiöse Ikone, die ihre Hoffnung aufrechthielt.
    Der schlimme Mangel zeigte schließlich sichtbare Folgen: Die Männer wurden dünner, ihre Gesichtsfarbe fahler, da alles Blut aus ihm wich, und sie fingen an, mit ihren Bewegungen zu haushalten. Auch ihre Stimmung wurde gereizter, aber dessen waren sie sich bewußt, und so pflegten sie einen höflicheren Umgangston miteinander, so als wären sie Angehörige eines ehrwürdigen Gerichts, in dem auf solche Formalitäten Wert gelegt wurde. Eines Morgens dann erschütterte Trevor Blythe dieses Schauspiel mit einem echten Schrei der Bestürzung: »Jesus, Maria! Seht euch das an!« In der hohlen Hand liegend, zeigte er ihnen einen seiner Backenzähne, makellos und stabil wie eine Walnuß - aber doch abgestoßen vom oberen Gaumen.
    »Skorbut«, stellte Luton nüchtern fest, ohne seine Angst zu zeigen. »Wir müssen sorgfältiger auf unsere Nahrung achten.« Aber wie das bewerkstelligt werden sollte, sagte er nicht.
    An einem sehr kalten Nachmittag, als Carpenter und Fogarty losgezogen waren, ein verirrtes Karibu aufzutun oder die Höhle eines überwinternden Bären, lahmte Harry plötzlich, und als Fogarty das linke Bein genauer untersuchte, sah er, daß die offene Wunde, die die Steine im Peel River aufgerissen hatten, nicht verheilt war. Das war schlimm genug, aber als er einen Finger auf die Haut um die Wunde herum drückte, um festzustellen, ob bereits Verwesung eingesetzt hatte, sah er zu Harrys und zu seinem eigenen Entsetzen, daß der Abdruck eine Vertiefung in dem graufarbenen Fleisch hinterließ. Harry, der noch nie die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen hatte, drückte selbst einen Finger dagegen, mit demselben Ergebnis.
    »Wundbrand«, diagnostizierte er.
    »Das, wovor Sie die beiden jungen Männer gewarnt haben?« fragte Fogarty, und Harry antwortete: »Ja. Skorbut.«
    »Was können wir dagegen machen?« fragte Fogarty, und es wurde ihm mitgeteilt: »Schießen Sie uns was. Wir haben gehört, frisches Fleisch könnte es heilen.«
    Selbstverständlich war sowohl Luton als auch Carpenter als erfahrenen Forschern und Kennern britischer Seegeschichte bekannt, daß das nicht ganz zutraf; frisches Fleisch half bei Skorbut, weil es eine allgemeine Kräftigung des Körpers herbeiführte und dieser dadurch widerstandsfähiger gegen einen Befall war, aber beiden war klar, daß das den Ausbruch der Krankheit nur hinauszögerte, sie aber nicht heilte. Beiden war auch der bemerkenswerte Beitrag bekannt, den Kapitän

Weitere Kostenlose Bücher