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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Händen und Knien, wie er sich mit einer Schaufel, deren langen Stiel er kaum halten konnte, abplagte, den gefrorenen Boden aufzukratzen, auf der Suche, wie der Ire gleich erkannte, nach Wurzeln, die eine Ausbreitung seiner Krankheit möglicherweise verhindern halfen. Offenbar war ihm kein Erfolg beschieden, aber mit der ruhigen Entschlossenheit, die ihn schon immer auszeichnete, setzte er sein vergebliches Schaben fort, bis er hinsackte, ermattet, die schwere Schaufel unnütz neben ihm.
    Einen Augenblick überlegte Fogarty, ob er Carpenter zu Hilfe eilen sollte oder nicht, aber eine innere Stimme sagte ihm, ein solcher Mensch ziehe es vor, seine Probleme selbst zu lösen, und würde sich jede Einmischung von außen verbitten, also zog er sich zurück, außer Sichtweite, aber auf einen Posten, von dem aus er den Gestürzten im Auge behalten konnte. Nach einer Weile erhob sich Harry, benötigte ein paar Minuten, um wieder auf die Beine zu kommen, ging dann langsam zurück zur Hütte, die Schaufel hinter sich herziehend. Als er Fogarty erblickte, riß er sie mit einer scharfen Bewegung an die Brust, als handelte es sich um ein Gewehr.
    »Hab’ unsere Bahn mal ausgebessert«, sagte er im Vorbeigehen, doch als Fogarty sein aschfahles Gesicht sah, tat er einen tonlosen Schrei: Jesus im Himmel! Er wird sterben.
    So tapfer und entschlossen Carpenter auch sein mochte, er kam doch unweigerlich ins Grübeln, über die Erbärmlichkeit des Todes in einer solch rauhen Umgebung, wo es an jeglichem mangelte, was sein Leiden besiegt hätte: Medikamente, richtige Ernährung, fähige Ärzte, Krankenpflege.
    Die quälenden Überlegungen drehten sich jedoch nicht nur um seine eigene Person. Oft dachte er an seine Kusine Julia, neunzehn Jahre alt, als er sie das letztemal gesehen hatte. Sie war eine junge Frau, die nie schön sein würde, im üblichen Sinne des Wortes; sie hatte ja nicht einmal das, was immer als der »makellose englische Teint« bezeichnet wurde. Dafür war ihr das zu eigen, was Trevor Blythe erkannt hatte, ein wahrhaft glühendes inneres Feuer, so daß sich alles, was sie sagte, vernünftig anhörte und alles, was sie tat, irgendwie menschlich schien. »Die Beste aus dem Stall«, sagte Harry leise zu sich selbst und rief sich ein Bild in Erinnerung, sah sie quer über den Rasen auf ihn zulaufen, übersprudelnd vor den unendlichen Möglichkeiten, die ihr das Leben bot, um ihn zu begrüßen, der von einer Safari in Kenia heimgekehrt war.
    Darauf folgte ein Stimmungstief, denn er war im Laufe seines bewegten Lebens, vor allem bei im Ausland lebenden englischen Familien, einer Menge junger Frauen wie Julia begegnet, voller Ausstrahlung und ungeheurer Energie, aber nicht sonderlich gefragt auf den Heiratsmärkten, und wenn sie es in den Jahren zwischen ihrem zwanzigsten und dreißigsten Geburtstag nicht geschafft hatten, den einen Mann zu finden, der ihre innere Schönheit zu schätzen wußte, dann konnte es gut sein, daß sie nie einen fanden und sich im Alter von vierzig mit Cellospielen, Lesen und Handarbeit zufriedengeben mußten.
    Wenn solche Gedanken ihn bedrängten, rief er sich Trevors letzten Wunsch ins Gedächtnis. »Wenn wir wieder daheim gewesen wären, hatte ich die Absicht, mit deiner Kusine, Lady Julia, zu reden. Bitte richte ihr das aus.« Jetzt war er gewiß, daß sie ihr Zuhause nie wiedersehen würden. Julia würde niemals erfahren, daß ein junger Dichter von bemerkenswertem Talent sie geliebt hatte, auch würde sie niemals das Geschenk in Empfang nehmen können, das diese Liebe zum Ausdruck brachte. Der Gedanke, daß er diese Mission nicht würde erfüllen können, verfolgte ihn so sehr, daß er sich zwei Tage lang schwere Selbstvorwürfe machte. Schließlich bat er um einen der letzten Bögen Papier, auf dem er versuchte, Julia von Trevor Blythes Tod und dem letzten Wunsch des jungen Mannes zu berichten: damit sie erfahre, er wäre heimgekommen, um sie zu seiner Frau zu machen.
    Er verfügte weder über die Kraft noch die Konzentration, den Brief zu beenden, und als ihm der Bleistift aus der fast leblosen Hand glitt, erkannte er die wahre Bedeutung des Todes und murmelte, zu leise, als daß seine Gefährten es hätten hören können: »Es bedeutet, daß diese Liebesbotschaft nicht überbracht werden wird.«
    Am Abend, angesichts der verzweifelten Stimmung, die seinen Freund befallen hatte, verkündete Lord Luton aufmunternd: »Was meint ihr, Männer? Es ist mal wieder soweit, über eine von den

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