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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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hervorgebracht hatte, und wie jeder vernunftorientierte Pragmatiker betrachtete er die kostbaren Fleischkonserven nur als ein Mittel zum guten Zweck, und warum sollten sie sie dann nicht jetzt gleich öffnen, wenn sie am bittersten gebraucht wurden: »Bei aller Hochachtung, Milord, ich würde sagen, wir sollten auf der Stelle eine Dose öffnen und uns den Magen vollschlagen.«
    »Ich will nichts davon hören, Fogarty. Die Dosen sind allein für den Notfall.«
    Durch den Druck der äußeren Bedingungen und die Notwendigkeit von Entscheidungen schienen sich die beiden Männer allmählich auf einer gleichberechtigten Ebene zu bewegen, sich gegenseitig ergänzend, jeder notwendig für das Funktionieren ihrer Partnerschaft. Diese zeigte sich nirgends deutlicher als in der Zeit nach der Tagundnachtgleiche, als sie darüber zu befinden hatten, was in den erträglicheren Wochen, die ihnen die Rückkehr des Sommers mit Sicherheit bescheren würde, geschehen solle. Alles hing von einer entscheidenden Frage ab: »Die Canyons haben wir hinter uns. Sollen wir den restlichen Rumpf des Bootes wieder zu Wasser lassen, bis zum Oberlauf staken und dann über die Berge steigen, oder sollen wir unser Gefährt liegenlassen und uns gleich von hier aus in Marsch setzen?« Sie wägten das Für und Wider ab, wobei Luton diesmal Fogarty um seine Meinung bat, weil er schließlich doch noch zu der Einsicht gekommen war, seine früheren eigensinnigen Entscheidungen könnten in hohem Maße für den Tod von Blythe und Carpenter verantwortlich gewesen sein.
    Erfreut, daß Luton endlich seinen Rat suchte, schlug Fogarty vor: »Behalten wir das Boot, Milord, denn damit können wir mehr Sachen transportieren«, worauf Luton entgegnete: »Aber wenn wir nur mit leichten Rucksäcken bepackt zügig marschieren, können wir es mit Sicherheit schaffen, bevor der nächste Winter einsetzt.«
    Bei der nächsten Debatte verteidigte Fogarty die Rucksäcke, und Luton wollte an dem Boot festhalten, und auf diese Weise kam jede denkbare Gefahr, jeder mögliche Notfall zur Sprache und konnte eingeschätzt werden. Es war Luton, der den Mut aufbrachte, eine der schlimmsten möglichen Varianten näher zu untersuchen: »Fogarty, wir haben Menschen sterben sehen ... an Umständen, die unvorhersehbar waren. Wenn nur einer von uns überleben sollte, welcher Weg wäre dann der bessere?« Fogarty entgegnete, ohne zu zögern: »Wenn er am Leben und allein wäre, müßte er das Boot zurücklassen, denn sonst ...« Und damit war die Sache erledigt: »Da wir beide am Leben bleiben werden, behalten wir das Boot so lange, bis es wirklich nicht mehr geht.«
    Einmal die Wahl getroffen, verbrachten die beiden Männer einen großen Teil des Monats April damit, bis ins letzte Detail zu überlegen, was mit dem Boot bis zum Oberlauf und welche Ausrüstungsgegenstände von dort in den beiden Rucksäcken transportiert werden sollten. Das Zelt selbstverständlich, die für das Überleben in der Arktis wichtigen Werkzeuge und allen Proviant, insgesamt nicht viel. Er warf einen Blick auf die getrockneten Bohnen und die übrigen Nahrungsmittel; sie erhielten den Körper zwar am Leben, aber verhinderten nicht das langsame Sterben, wenn der Körper erst einmal von Skorbut befallen war. Und spürte er nicht erneut Anzeichen von Skorbut? Ein lockerer Zahn, ein Gefühl der Taubheit in den Zehen. Als Fogarty einmal nicht da war, sah er mit Schrecken, daß eine Vertiefung zurückblieb, wenn er den Zeigefinger in den rechten Oberschenkel drückte.
    In diesem Augenblick verlor er zum erstenmal während der nun schon über zwanzig Monate währenden Expedition den Mut, aber als er Fogartys Schritte näher kommen hörte, nahm er Haltung an und präsentierte sich seinem Diener in der gewohnten Pose eines Gentleman, der sich noch immer zusammenzureißen verstand. »Fogarty, wir müssen uns wirklich endlich Fleisch besorgen.« Das war alles, was er sagte, aber der Ire sah auf den ersten Blick, daß Lord Luton die Überquerung der Berge nicht schaffen würde, wenn er, Fogarty, nicht bald ein Stück Wild heimbrachte.
    Er machte sich daraufhin auf den wohl wichtigsten Jagdausflug seines Lebens, zog jeden Tag den zugefrorenen Peel River rauf und runter und hielt nach allem Ausschau, was sich bewegte, und jeden Abend, wenn er mit leeren Händen heimkehrte, zur maßlosen Enttäuschung seines ungeduldig wartenden Gefährten, konnte er sehen, wie Lord Luton die Schultern, nein, nicht hängenließ, sondern sie mit

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