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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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sie sich einig, und so eröffneten sie die Jagd. Die Männer folgten den Spuren mit verzweifelter Kraft, aber als die silberhelle Nacht einsetzte, hatten sie die Wapiti noch immer nicht eingeholt. Es war eine große Versuchung, zum sicheren Lager zurückzukehren, doch Luton wies auf die Stelle, an der sie sich gerade befanden, als Zeichen, daß er hier seinen Hirsch erlegen wollte, und koste es ihm das Leben. Fogarty, der eine starke Zuneigung zu dem nüchternen Menschen verspürte, nickte nur mit dem Kopf. Die frühen Abendstunden über blieben sie auf ihrem Posten, die Nacht war nur kurz, jeder versuchte, ein bißchen Schlaf für die Anstrengungen des kommenden Tages zu bekommen. Um Mitternacht, der abnehmende Mond hatte seinen Höchststand erreicht, glaubte Luton, gehört zu haben, wie sich etwas bewegt hatte, im Osten. »Ich werde mal zu dem Hügel da drüben pirschen. Passen Sie gut auf, falls ich etwas Wild aufscheuche und es hier entlangkommt.«
    Leise den Kamm des Berges erkletternd, auf dem kaum noch
    Schnee lag, brach ihm der Schweiß aus, denn direkt unter ihm, in einer offenen Lichtung, grasten fünf Wapiti, herrlich anzusehen, sehr groß, die gewaltigen Geweihe im Mondlicht schimmernd. »Sollte ich lieber Fogarty zu Hilfe rufen?« fragte er sich. Dann verwarf er den Gedanken wieder, es hätte nur die Tiere verscheucht. Er mühte sich, sein zitterndes Handgelenk unter Kontrolle zu bringen, und murmelte: »Ich werde selbst schießen oder hier an diesem elenden Fluß verrecken.«
    Wie ein Waldgeist schleichend, pirschte er sich an die nichtsahnenden Tiere heran, sah noch einmal, was für herrliche Geschöpfe es waren, verneigte sich kurz zu einem Gebet, legte bedächtig das Gewehr an und drückte den Hahn ab.
    Fogarty, der den Schuß auf der anderen Seite des Berges gehört hatte, rief: »Großer Gott! Er ist alleine losgezogen, weil er sich erschießen wollte!« Er kletterte den Berg hoch, entdeckte vier oder fünf Hirsche über die freie Tundra jagen, und eine fürchterliche Panik ergriff ihn. Im selben Augenblick sah er auch schon Lord Luton, auf sein Gewehr gestützt, über ein erlegtes Tier gebeugt, dessen Geweih im Mondlicht schimmerte.
    Als Fogarty auf den leblosen Körper zugestürzt kam, nickte er Luton ehrerbietig zu, der zurücknickte. Beide Männer machten sich daran, Holz zu sammeln, und als Fogarty ein beachtliches Feuer in Gang gesetzt hatte, fing er an, das große Tier auszunehmen. Eine wortlose Übereinkunft ließ ihn zunächst die Leber herausreißen, das erste Stück Fleisch, das sie an Stöcken aufgespießt über den Flammen hielten.
    Sich die Mäuler mit dem noch halbrohen Fetzen stopfend, rann ihnen das Blut am Kinn herab, und sie spürten förmlich, wie die lebenspendenden Säfte in die eigene Leber strömten, die Venen hinunter, in die Beine, die noch wenige Minuten vorher dem Schicksal preisgegeben schienen.
    Fogarty, der bei den Gesprächen über Skorbut immer aufmerksam zugehört hatte, ließ sich jedoch nicht zu dem Glauben verleiten, Luton sei davon nun geheilt; er war nur für begrenzte
    Zeit zu Kräften gekommen, und in dem Bemühen, aus dieser vorübergehenden Besserung Nutzen zu ziehen, machte sich der Ire Harry Carpenters letzten Auftrag zu seinem Credo: »Sorg dafür, daß Evelyn bei Kräften bleibt, damit er den Aufstieg schafft.« Und von nun an setzte er alles daran, dieses scheinbar unmögliche Ziel zu erreichen.
    Er eignete sich eine Gewohnheit an, die er während der übrigen Zeit dieser ungeheuerlichen Reise hartnäckig beibehielt: Drei- bis viermal am Tag ging er, mit einem Spaten und einem aus dem Hirschgeweih gedrechselten Erdbohrer bewaffnet, nach draußen und begann, an den aufgeweichten Stellen zu graben, in der losen obersten Schicht Erde und Kies des Hochlandterrains, die sich schon einmal als Nährboden für Wurzeln erwiesen hatte. Er grub jedesmal etwa eine halbe Stunde lang, drang durch dünnes Eis bis in steinigen Boden vor, in dem sich ganze Netze von Wurzeladern fanden, von denen manche kleine Bäume hervorzubringen vermochten, andere mit Büschen verbunden waren und wieder andere nur die Fortsetzung von Gräsern bildeten. Wie andere auch, die auf diese Weise ihr Leben gerettet hatten, nahm er dankend an, was immer der Boden hergab, schüttelte den Dreck von den Wurzeln ab und trug sie zurück in die Hütte, wo er in der Glut des Herdfeuers immer einen Topf am Sieden hielt.
    Aus diesen nahrhaften Wurzeln, mit viel Aufwand, Liebe und Leidenschaft

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