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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Entschlossenheit spannte. »Nicht aufgeben, Fogarty. Ich bin sicher, Sie werden uns schon noch was bringen.«
    Von nun an vermißte man in Lutons Tagebuch den angenehmen Sprachfluß und die breit angelegten philosophischen Betrachtungen, die das Charakteristische der Eintragungen im letzten Winter ausgemacht hatten, als sich fünf tapfere Männer daranmachten, das gemeinschaftliche Leben in einer engen Hütte mitten in der Arktis zu erforschen. Eines Abends, Fogarty war wieder einmal mit leeren Händen heimgekehrt, schrieb Luton mit zittriger Schrift die unzusammenhängenden Satzfetzen:
    »Wieder kein Fleisch. Rechten Zeigefinger ins Bein gedrückt, Fleck blieb stundenlang. Meine Kräfte lassen nach. Wenn ich sterben sollte, furchtbare Einsamkeit, bitte Gott, dann mit dem Anstand von Trevor Blythe, dem Mut von Harry Carpenter. Für den Augenblick nur den einen Wunsch, daß Fogarty Karibu auftreibt.«
    Nach diesem Eingeständnis der Verzweiflung verließ Luton die Hütte und wollte seine übliche Runde laufen, aber als er das Oval betrat, das Harry Carpenter in den Schnee getrampelt hatte, flimmerten plötzlich Bilder vor seinen Augen von ebendiesem seinem guten Freund, den er in den Tod getrieben hatte, von Philip, den der Mackenzie ihnen genommen hatte, und von dem Dichter Trevor Blythe, vielleicht der schmerzlichste Verlust von allen. Er fing an zu taumeln und sich mit eingebildeten Figuren zu schlagen. Fogarty, der von der Hütte aus jeden Schritt verfolgte, erkannte sofort, daß sein Herr in Schwierigkeiten war.
    Ihm zu Hilfe eilend, hörte er, wie Luton den Wahngebilden
    zurief: »Ich sitze in der Schlinge! Der Kummer plagt mich! O mein Gott, wie konnte ich diesen Männern so etwas antun. Ich bin unfähig. Meine Unfähigkeit ist an allem schuld!«
    Der Ire, der diese Beichte eigentlich nicht hören sollte, lief wie getrieben hinter Lord Luton her, holte ihn in einer Kurve ein und sagte im nüchternsten Tonfall, den er anschlagen konnte: »Milord, wir kommen in arge Bedrängnis, wenn wir nicht mehr Brennholz hacken.« Luton, den Kopf rüttelnd, um die grausamen Bilder davonzujagen, sagte: »Holen Sie die Äxte her.« Und während sie die bösen Geister durch schweißtreibende Arbeit zu vertreiben versuchten, bekam Luton wieder einen klaren Kopf. »Fogarty«, sagte er, »wenn Sie uns nicht bald was schießen .« Und Fogarty wußte sofort, was er zu tun hatte: Sie waren dem Verhungern nahe, und das zuzulassen, obwohl noch die vier Fleischkonserven vorrätig waren, war töricht.
    Seine Befehle ignorierend und sich die Axt unter den Arm klemmend, bevor Luton ihn zurückhalten konnte, marschierte er zurück zur Hütte, schnappte sich eine der geheiligten Dosen, hieb den Deckel runter, kippte das Fleisch in eine Pfanne und gab eine der letzten Zwiebeln sowie eine Handvoll Wurzeln hinzu. Als der Eintopf kochte, schöpfte er einen Napf voll und stellte ihn vor Luton hin, der nach unten schaute, auf das Essen, den verführerischen Duft einsog und mit der Gabel einen Fleischbrocken nach dem anderen herauspickte, sie aber nicht mit einemmal hinunterschlang und auch Fogarty nicht ausschimpfte dafür, daß er seinen Befehl mißachtet hatte.
    Durch die unerwartete Nahrung wieder zu Kräften gekommen, schlief er fest, stand früh auf und rasierte sich wie jeden Morgen. Er verweigerte, sogar sich selbst, das Eingeständnis, wie nahe er noch gestern abend davor gewesen war aufzugeben; statt dessen kleidete er sich auf das sorgfältigste, nahm sein Gewehr von der Wand, stopfte sich die Tasche voll mit George Michaels Patronen und meinte: »Es kommt die
    Zeit, Fogarty, da muß ein Mann sich selbst sein Karibu schießen.«
    Damit stapfte er los und dachte bei sich: »Vielleicht der letzte Versuch. Meine Beine. Meine verfluchten Beine.«
    Fogarty ging ihm selbstverständlich nach, und immer wenn er im Laufe des langen kalten Tages der nicht enden wollenden Kletterei über die schneebedeckten Eishügel überdrüssig war, machte er sich klar, daß es für Luton ums Ganze ging, und er hatte nicht das Herz, ihn zurückzuhalten. Es war gut, daß er ihn nicht zurückhielt, denn gegen Abend, als er Luton einholte, stießen die beiden auf eine Spur, die sie vor Erregung zittern ließ. Eine Herde großer Hirsche, genannt Wapiti, auf ihrer Wanderung Richtung Norden, wo sie im Sommer über lebten, war erst kürzlich hier entlanggezogen und hatte frische Spuren hinterlassen.
    Die Tiere konnten nicht allzuweit entfernt sein, in dem Punkt waren

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