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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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sie sich nicht beide voll Verbitterung schlafen legten, bemerkte er: »Hier oben belästigen uns wenigstens keine Moskitos.«
    Fogarty reichte das nicht. »Milord, ich bin fast gestürzt heute. Mein Rucksack ist einfach zu schwer. Wir müssen die Büchsen aufessen, und Sie müssen mir beim Tragen helfen.«
    Ruhig und ohne das geringste Anzeichen von Verstimmung oder Unmut entgegnete Luton: »Sie haben recht, Fogarty. Wir brauchen die Nahrung, und Sie brauchen Hilfe, aber fassen Sie noch einmal die Dosen an, bringe ich Sie um.«
    Fogarty verzog keine Miene. Einen Finger an die Schläfe legend, meinte er versöhnlich: »Das ist das zweite Mal, daß Sie mir damit drohen. Das erste Mal, weil ich scheißen mußte, jetzt, weil ich esse. Anscheinend bringt mich meine Verdauung immer in Lebensgefahr.« Er sagte das mit so liebenswürdigem Humor, daß Luton ihm diese Vertraulichkeit einfach nicht übelnehmen konnte.
    Am Abend darauf war Fogarty am Ende der Klettertour so ausgehungert, daß er befürchtete umzukippen. »Milord, sollen wir nicht noch eine Dose öffnen?« flehte er, doch Luton blieb unerbittlich: »Wir horten sie für den Augenblick, wenn die Lage wirklich verzweifelt ist«, worauf sich Fogarty schüchtern erkundigte: »Wenn ich im Sterben liege, wäre dann der Augenblick gekommen?« Und Luton antwortete: »Ich bin fest davon überzeugt, daß wir Dawson erreichen, Sie und ich. Und
    diese Dosen sind vielleicht der letzte Ausweg.«
    Ostentativ rückte er den Rucksack mit den Fleischkonserven als Kissen unter seinen Kopf und legte sich mit dem Gewehr quer über der Brust schlafen.
    Sie kämpften sich den letzten Felsturm hoch; nur ihr ursprünglicher Mut hielt sie noch aufrecht, ein Mut, auf den sich fast alle Menschen in extremen Situationen verlassen können, aber den zu beweisen nur wenige jemals aufgerufen sind. Fogarty, sich keuchend hochhangelnd, war an der Spitze, Lutons Sonderrationen um die Schultern gebunden, als er mit stiller Freude feststellte, daß der Gipfel erreicht war.
    In das bewaldete Tal hinunterblickend, das im Westen auf sie wartete, wandte er sich um und sagte leise: »Von hier, Milord, geht’s nur noch bergab.«
    Luton täuschte vor, kein Wort verstanden zu haben, er sah auch nicht hinunter auf die Route, die offen vor ihnen lag; er stand mit dem Rücken zum Ziel gekehrt, sein Blick galt den höllischen Abgründen, die sie mit so ungeheurer Mühe erklommen hatten. Während er so dastand, erschöpft, den Rücken gebeugt, obwohl Fogarty die Hälfte seiner Last übernommen hatte, wanderten seine Gedanken die Hänge hinab, über den Horizont und den versteckt liegenden Peel River hinaus, zurück zu jener einsamen Hütte, in der Trevor gestorben und von der aus Harry in seinen Tod aufgebrochen war. Es war ihm nicht möglich, irgendein Gefühl des Triumphes zu empfinden.
    Doch dann riß Fogarty ihn aus seinen Gedanken an die schicksalsträchtige Vergangenheit heraus, hieß ihn sich umdrehen und den Blick der verheißungsvolleren Zukunft zuwenden, und als er Lutons Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, wiederholte er die aufmunternden Worte: »Von jetzt ab geht’s nur noch bergab.« Luton schenkte Fogartys Bemühungen, ihn aus seiner Lethargie zu reißen, keinerlei Beachtung, schaute weiter zurück auf den rauhen Weg, den sie gekommen waren, und ließ die Schultern so tief herabhängen, daß der Ire fürchtete, sein
    Herr sei den Tränen nahe. Mit einem Seufzer, der Fogarty erschauern ließ, sagte Luton dann: »Es muß einen einfacheren Weg durch das Flußdelta und durch die Berge gegeben haben, aber es war uns nicht vergönnt, ihn zu finden.« Noch in diesem Augenblick, da ihr Martyrium dem Ende zuging, sträubte er sich, jede Verantwortung für die verhängnisvollen Entscheidungen zu übernehmen: Noch immer war es die unversöhnliche Natur, die alle Schuld trug.
    Noch während er die Worte formulierte, mit denen er sich selbst freisprach, spürte er intuitiv, daß er vor seinem Diener eigentlich eine entschlossenere Haltung einnehmen müßte.
    Er reckte sich plötzlich, hob den größeren, schwereren Packen an, holte sich von Fogarty auch seinen zweiten kleineren Rucksack, übernahm mit einem kühnen Schritt die Führung und gab einen Befehl von sich, aus dem Begeisterung und Autorität klang: »Bringen wir es hinter uns, Fogarty! Dawson muß sich hinter der nächsten Kurve verstecken!« Und schon zogen sie los, auf den letzten Abschnitt ihrer Reise, in gehobener Stimmung, da sie endlich die

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