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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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gelebt.« Als Luton nichts entgegnete, fügte der Ire hinzu: »Und Sie schließen die Reise, wie Sie gesagt haben: Am Ende ist noch Fleisch übrig. Sie haben uns hierhergebracht.« Erst jetzt reagierte Luton: »Es ist so, wie der gute Mr. Trevor in jener Nacht im Zelt gesagt hat. Ein guter Dichter hat immer schon die Schlußzeilen seines Gedichtes im
    Kopf, wenn er anfängt zu schreiben. Dasselbe gilt für den Leiter einer Expedition. Er bricht mit der Absicht auf, sein Ziel zu erreichen.« Er schwieg einen kurzen Augenblick, dann verhärtete sich seine Stimme. »Ob Skorbut oder arktische Kälte, er erreicht sein Ziel.«
    Wirklichen Ärger gab es erst wieder im Morgengrauen, als Fogarty sich anschickte, allen unnötigen Krempel der Ausrüstung, den er die ganze Zeit über mühsam mitgeschleppt hatte und der jetzt wertlos geworden war, in eine nahegelegene Schlucht zu werfen. »Schmeißen wir das ganze Zeug auf den Müll, zusammen mit der verfluchten allerletzten Konservendose, die uns noch geblieben ist!« schrie er, doch bevor er das in die Tat umsetzen konnte, hielt Luton ihn mit einem Warnschrei zurück. Fogarty drehte sich um und blickte in das vor Wut aschgraue Gesicht Seiner Lordschaft.
    »Fogarty! Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, einen sehr weiten. Lassen Sie uns heute als Männer von Ehre in Dawson einmarschieren, als Männer, die ungeschlagen sind.«
    Zu Fogarty s Erstaunen breitete er alle Gegenstände aus, die angeblich nicht mehr in ihre Rucksäcke paßten, und führte vor, wie man sie richtig packte und jeden Winkel dabei ausnutzte.
    Als alles ordentlich verpackt bereitstand, kontrollierte Luton den Sitz des Rucksacks auf Fogartys Rücken, dann die Kleidung des Iren, wischte hier und da ein bißchen herum und sagte: »Wir werden das wuchernde Nest da unten betreten, als hätten wir noch hundert Meilen vor uns.« Fogarty blieb ehrlich: »Milord, ich könnte keine hundert Meilen mehr marschieren«, worauf Luton sagte: »Ich schon.«
    Um acht Uhr früh am nächsten Morgen, am 21. Juni 1899, marschierten Lord Luton, hochgewachsen, aufrecht und glattrasiert, zusammen mit seinem Diener Tim Fogarty, der in angemessenem Abstand von drei Schritten folgte, in Dawson City ein, als kämen sie als Eroberer. Als der Polizeichef Samuel Steele von der Mountain Police erfuhr, daß Lord Luton eingetroffen war, eilte er die Straße hinunter, um ihm entgegenzugehen, und nahm gleich mehrere Stapel Briefe aus London mit. Luton hatte für derlei Dinge jedoch im Augenblick kein Interesse; seine einzige Sorge galt den Telegrammen, die er sofort an die Familien seiner drei verstorbenen Kameraden aufgeben wollte. Jede Nachricht schloß mit dem Satz: »Sein Tod ist einem Akt Gottes und menschlichem Fehlverhalten zuzuschreiben. Er starb einen tapferen Tod, umgeben von seinen Freunden.«
    Zufrieden darüber, daß er sich dieser unangenehmen Pflicht entledigt hatte, wollte er gerade die roh zusammengezimmerte Hütte, die als Telegraphenstation diente, verlassen, als Fogarty mit Nachdruck sagte: »Ich möchte meinen Leuten auch Bescheid geben.« Luton, sein Erstaunen über die Vermessenheit des Dieners kaschierend, antwortete: »Na los, machen Sie schon«, worauf Fogarty entgegnete: »Ich habe kein Geld, Milord.« Luton blickte fragend. »Und das ganze Geld, das Sie mit Haareschneiden verdient haben? Vier Kunden, zwei Jahre lang?« Fogarty schaute dem Mann, der ihn von so weit aus Irland bis hierher geführt hatte, ehrlich ins Gesicht: »Das Geld will ich behalten. Ich brauche es vielleicht noch, wenn ich mir eine Goldmine kaufe.« Luton lächelte eisig. Soviel Dreistigkeit hatte er von seinem Diener nicht erwartet. »Also noch eins«, sagte er zu dem Telegraphisten, »nach Irland. Ich zahle.« Nach sorgfältiger Überlegung schickte Fogarty seiner Frau eine Nachricht mit genau sieben Worten: »Ankunft Goldfelder. Alles in Ordnung. Brief folgt.«
    Während Fogarty sein Telegramm formulierte, teilte der Polizeichef Lord Luton mit, daß einige großzügige Geldspenden aus London eingetroffen seien, »auszuhändigen an Lord Lutons Mannschaft, sollte sie jemals ihr Ziel erreichen«.
    Der Absender, der Marquis von Deal, hatte im Sommer des Jahres 1898 mit der Ankunft seines Sohnes in Dawson City gerechnet; ein Jahr zu früh.
    Steeles Auskunft erinnerte Luton an den Stapel Briefe, den er noch immer in der Hand hielt. Einen dicken, mit der markanten Handschrift seines Vaters versehenen Umschlag riß er als ersten auf und überflog

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