Klondike
die Erlösung vor den Moskitos und an die Seenwüste.«
Am nächsten Morgen sahen sie sich bereits der nächsten Schwierigkeit gegenübergestellt, denn obgleich sie jetzt die einsame Wüstenei hinter sich hatten, wo der Beistand der Han-Indianer von lebenswichtiger Bedeutung gewesen war, hatten sie immer noch die strapazenreiche Reise nach Dawson vor sich, und da galt es nun, zu entscheiden, welcher der beiden grundsätzlich verschiedenen Routen sie folgen sollten.
Die erste Route war die einladendere: eine Nordwestpassage, die über vergleichsweise niedrige Berghänge zum Yukon führte, nur wenige Meilen flußabwärts von Dawson, wo die Wanderer in ein amerikanisches Linienboot umsteigen konnten, das sie flußaufwärts zu den Goldfeldern bringen würde.
Die andere Möglichkeit war die Südwestpassage, die direkt ins Hochland führte und auf der anderen Seite runter nach Dawson; sie verlangte allerdings echte Kletterkünste. Es gab jedoch noch einen zweiten entscheidenderen Unterschied: Die rechtsseitige Route schob sich in den amerikanischen Teil des Nordens; die linksseitige dagegen verlief ausschließlich auf kanadischem Boden, und obwohl Luton nicht nachprüfen konnte, ob das auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach, denn seinen Karten fehlte es an Genauigkeit, war er noch immer so fest entschlossen, amerikanischen Boden zu vermeiden, daß er resolut seine Stimme erhob: »Wir nehmen die Bergroute.«
Als die Indianer die beiden Männer sich anschicken sahen, den schwierigeren Aufstieg zu nehmen, machten sie erneut ihre Vorbehalte deutlich, deuteten mit mühsam gesetzten Schritten und gebeugten Rücken an, daß die gewählte Route schlecht sei, sprangen dann leichtfüßig den tiefergelegenen Paßweg entlang und imitierten sogar ein Boot auf dem Fluß.
Zum erstenmal im Laufe ihrer gemeinsam verbrachten Tage war Fogarty verlegen um Handzeichen, die den Indianern erklärt hätten, daß sein Begleiter von der Idee besessen war, diese Reise, die sich zu einer Tortur entwickelt hatte, allein auf Empire-Gebiet zu machen und selbst im letzten Augenblick der Marter ein Betreten amerikanischen Bodens auf jeden Fall zu vermeiden. Der Ire hatte sogar Probleme, für sich selbst eine vernünftige Erklärung dafür zu finden, warum Luton auf der schwierigeren Route beharrte, aber als Bestätigung seiner früheren Entscheidung in jener Nacht, als sie sich blindlings in die weglose Tundra gestürzt hatten, vermittelte er den beiden Indianern jetzt in Worten, die weder sie noch er verstanden: »Er führt. Ich gehe« und folgte Luton entschlossenen Schrittes auf dem Hochlandpfad.
Gleich auf der ersten Meile dieser Steinwüste mit ihren spitzen Gipfeln und tiefen Schluchten zeigte sich, daß der letzte Abschnitt ihrer Reise nicht leicht zu nehmen sein würde, denn obgleich die Kette nicht außergewöhnlich hoch war - wenig über sechstausend Fuß -, war sie sehr schroff, und an manchen Stellen konnte der gut zu erkennende Pfad so steil verlaufen, daß man alle Kraft aufwenden mußte, um ihn zu erklimmen. Ja, der Aufstieg stellte solche Anforderungen, daß die beiden Männer sich genauso verhielten wie andere Bergsteiger vor ihnen: Je höher der Weg führte, desto mehr wurden sie ermuntert, sich kleiner Gegenstände der Ausrüstung, die sie nicht länger zu gebrauchen meinten, zu entledigen, und dieser Impuls wurde noch verstärkt durch die Erkenntnis, daß ihr Ziel immer näher rückte. So fingen sie, ohne groß Aufhebens davon zu machen, an, all die Bürden beiseite zu werfen, von denen sie jetzt glaubten, ohne sie auskommen zu können: ein Hammer, ein teures Seil, eine der beiden Äxte, unzählige Dinge, einst in Ehren gehalten, jetzt zu schwer, um mitgeschleppt zu werden.
Es gab allerdings ein Bündel von massigem Gewicht, das allein Lord Luton tragen durfte, die restlichen Fleischkonserven, denn nachdem Fogarty - wenn auch in einer Notlage - ungefragt eine Dose geöffnet hatte, konnte man ihm die Aufsicht über sie nicht mehr anvertrauen; Luton wußte, daß von ihrem kostbaren Inhalt möglicherweise abhing, ob die Expedition bis zu ihrem erfolgreichen Ende geführt werden konnte. Einmal, als sie sich morgens zum Aufstieg rüsteten, wuchtete Fogarty den Rucksack mit den Dosen hoch und meinte: »Schwer, Milord, zu schwer.« Aber Luton, der die Last lieber selbst übernahm, entgegnete: »Nicht, wenn unser Überleben davon ab-hängt.«
Der Aufstiegswinkel war steiler, als Luton erwartet hatte, eine gleichmäßige,
Weitere Kostenlose Bücher