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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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die erste Seite. Beim Lesen versteifte sich seine Haltung, und Steele erkundigte sich, ob der Brief schlechte Nachrichten enthielt. Luton starrte ihn an, als sehe er durch ihn hindurch, faltete den Briefbogen zusammen und schob ihn zurück in den cremefarbenen Umschlag. Sein älterer Bruder, Nigel, war bei einem Jagdunfall auf ihrem irischen Landsitz getötet worden. In Lutons unnachgiebigen, adligen Gesichtszügen waren keinerlei Anzeichen der widerstreitenden Gefühle zu erkennen, die ihn überwältigten: Schreck über seine neue Verantwortung als Erbe des Marquisats; Schmerz über den Tod seines Bruders, den er geliebt und geschätzt hatte; und Verstörtheit ob seines freudlosen Sieges, daß er Dawson erreicht hatte trotz aller niederschmetternden Fehlschläge unterwegs. Den Kopf gesenkt, murmelte er: »Ein bitterer Nachgeschmack, der bleibt. Aber es gab auch schöne Momente. Und jeder aus unserer Gruppe hat sich kameradschaftlich aufgeführt. Das muß ich sagen, Fogarty eingeschlossen.«
    »Wollen Sie noch zu den Goldfeldern aufbrechen?« fragte Steele. Luton starrte ihn verwundert an und sagte keinen Ton. Mit Gold hatte er nichts im Sinn, er dachte nicht einmal daran. Er konnte sich nicht erinnern, wie er überhaupt angefangen hatte, sich dafür zu interessieren, jetzt jedenfalls ging ihn das Ganze nichts mehr an. Als Steele später diese Geschichte anderen erzählte, sagte er: »Er sah mich an, als hätte er das Wort noch nie in seinem Leben gehört. Allerdings sind viele Menschen, die über Edmonton nach Dawson kamen, nie bis zu den Goldfeldern gelangt. Anscheinend waren sie damit zufrieden, überhaupt lebend angekommen zu sein.«
    Die Beamten aus Steeles Behörde stellten einmal folgenden Abriß über die Einreise via Edmonton zusammen:
    »In den Jahren 1897 bis 1899 brachen insgesamt fünfzehnhundert Personen aus Edmonton auf, Männer und Frauen zusammengerechnet, ohne zwischen Kanadiern und Ausländern zu unterscheiden. Über die Hälfte kehrte zurück, ohne jemals den Klondike erreicht zu haben. Mindestens siebzig Menschen fanden unterwegs den Tod, unter ihnen die Kräftigsten und die für das Leben in ihrer Heimat am besten Gerüsteten. Von den weniger als tausend Menschen, die bis zu den Feldern vordrangen, ist nicht bekannt, daß einer von ihnen auf Gold gestoßen ist, und nur einige Fälle, in denen tatsächlich ein Claim abgesteckt wurde, allesamt in nicht ertragreichen Flüssen. Die meisten, die es bis hierher schafften, machten auf der Stelle kehrt und begaben sich auf den Heimweg, ohne den Versuch zu unternehmen, die Goldfelder wenigstens einmal zu sehen. Der berühmteste Heimkehrer von allen war wohl Lord Luton, der zukünftige Marquis von Deal, dessen Bruder kurz zuvor verstorben war.«
    Mit dem zielsicheren Vorgehen, das er an jenem 21. Juli in Dawson an den Tag legte, erlangte Luton lokalen Ruhm. Um acht Uhr morgens betrat er mit Fogarty die Stadt, um neun wurde ihm die Post ausgehändigt, die sich angesammelt hatte und die er gleichgültig entgegennahm, wobei er sich nicht einmal die Mühe machte, alle Briefe zu öffnen; anschließend schickte er seine Telegramme, und um zehn, nachdem er offiziell den Tod von drei Angehörigen seiner Mannschaft gemeldet hatte, entdeckte er den alten Heckraddampfer »Jos. Parker« vor Anker im Hafen. Als er sich nach dem Zielort erkundigte, wurde ihm mitgeteilt: »Der junge Bursche drüben bei Ross & Raglan kann Ihnen Auskunft geben.«
    Ohne einen Augenblick zu zögern, marschierte er die matschige Straße hinunter zu der Niederlassung der Schiffahrtsgesellschaft und verlangte zwei Billets nach Seattle. Ein aufgeweckter junger Angestellter erklärte: »Die Boote von hier haben einen zu flachen Tiefgang. Unseres fährt nur bis St. Michael.«
    »Wie komme ich von da weiter?« fragte Luton streng, und der Angestellte entgegnete: »O Sir, einer unserer eleganten neuen Dampfer nach Seattle erwartet Sie und nimmt Sie an Bord, sobald Sie angekommen sind.« Als Luton seinen Namen unter das Reisedokument setzte, meinte der junge Kerl: »Evelyn, ein lustiger Name für einen Mann«, worauf der edle Lord aus großer Höhe auf ihn niederstarrte.
    Als er sich anschickte zu gehen, brummte er in sich hinein: »Ich bin über Edmonton gekommen, weil ich amerikanischen Boden vermeiden wollte. Jetzt begebe ich mich mitten ins Herz dieses verfluchten Landes.« Er schüttelte den Kopf: »Der einzige Ausweg wäre, dieselbe Route zurückzugehen, die ich gekommen bin, aber das wäre

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