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Klostergeist

Titel: Klostergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Porath
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körperlich eher breit als lang, reckte provozierend das Doppelkinn. »So was wie bei dem Enke? Depressionen?«
    »Die Kriminalpolizei ermittelt immer bei ungeklärten Todesursachen«, konterte Verena. »Und ich denke, es ist auch im journalistischen Interesse, wenn der Tod von Manfred Engel zur Gänze aufgeklärt wird.«
    Der Glatzkopf leckte sich über die blassen Lippen. »Dann frage ich andersherum«, gab er zurück. »Hat dieser, sagen wir mal ›ungeklärte Tod‹ des Spaichinger Bürgermeisters irgendetwas mit seinem Cousin, dem Vorstandsvorsitzenden der Württemberger Kasse Jens-Uwe Engel zu tun? Mit der Krise der Bank?«
    Verena wollte eben zu einer Antwort ansetzen, da schob Thorben Fischer ihr einen kleinen Zettel zu. ›Der Typ ist von der BILD-Zeitung‹ stand da in Fischers akkurater, wie in Times New Roman gedruckt scheinender Schrift. Hinter ›BILD-Zeitung‹ hatte Verenas Assistent drei Ausrufezeichen gemalt. Verena erinnerte sich an die miesen Schlagzeilen vor einigen Wochen, in denen das Blatt die Brüder Engel wie bei Sippenhaft in einen Topf geworfen, einmal umgerührt und eine deftige Gerüchtesuppe serviert hatte.
    Ein Raunen ging durch die Reihen der Journalisten, als Verena Hälble nicht sofort antwortete.
    »Nun?«, insistierte der runde Reporter mit einem feisten Grinsen.
    »Mein lieber Herr …?«, begann Verena.
    »Kleinschmidt«, antwortete der Dicke und richtete sich auf.
    »Herr Kleinschmidt, selbstverständlich hat der Tod unseres Bürgermeisters etwas mit seinem Cousin zu tun«, sagte Verena. Kleinschmidts Grinsen wurde zu einer gierigen Fratze. Blitzlichtgewitter flammte auf. Die Journalisten spitzten die Ohren. Thorben Fischer sog hörbar die Luft ein und war drauf und dran, seiner Vorgesetzten nun seinerseits einen Tritt gegen das Schienbein zu geben.
    »Wissen Sie, Herr Kleinschmidt, wenn Ihr Cousin stürbe – hätte das dann nichts mit Ihnen zu tun?«
    Kleinschmidt sackte in sich zusammen. Die Kollegen der schreibenden Zunft grinsten hämisch. Vereinzelt war Kichern zu hören. Fischer konnte nicht umhin, Verena einen Respekt zollenden Blick zuzuwerfen.
    »Zurück zu den Fakten«, meldete sich Mike Ritter zu Wort. Ihm fehlten noch etliche Zeilen, um die Sonderseite für den nächsten Tag zu füllen. Schließlich sollten die Leser des ›Bergboten‹ nicht schlechter informiert sein als der Rest des Landes.
    »Was können Sie über die Obduktionsergebnisse sagen?«
    »Herr Ritter, da muss ich Sie ein wenig enttäuschen. Wir haben es hier mit einem schwebenden Verfahren zu tun und im Augenblick lautet meine Antwort auf diese Frage ›Kein Kommentar‹, wenn Sie verstehen«, antwortete Verena, die nun ihre Sicherheit zurückgewonnen hatte. Lässig strich sie sich die Locken aus der Stirn und blickte ernst, aber offen, in die Kamera des SWR-Filmteams.
    Die nächsten Minuten verflogen schnell. Auf einer großen Schautafel, angefertigt von Fischer höchstselbst, erläuterte Verena für die ortsunkundigen Journalisten die Gegebenheiten auf dem Berg. Gleichzeitig bat sie um Verständnis dafür, dass der Zugang zur Kirche und zum Kloster bis auf Weiteres gesperrt war. Zum einen hatte das handfeste Gründe, sollten doch keine Spuren verwischt werden – zum anderen wollte sie die Patres, denen ohnehin der Tod des Bürgermeisters zu schaffen machte, nicht noch durch Horden von Kamerateams in ihrer klösterlichen Ruhe gestört wissen.
    Nach etwas über einer halben Stunde gab es keine Fragen mehr. Verena beendete die Pressekonferenz mit einem Kopfnicken. Die Journalisten knipsten letzte Bilder, der Kameramann schaltete den Scheinwerfer aus. Gefolgt von Thorben Fischer verließ Verena den Saal, ohne auf weitere Zurufe der Redakteure zu reagieren.
    An der Treppe angekommen bemerkte sie, dass Fischer nicht mehr hinter ihr war. Genervt drehte sie sich um – und sah ihn vertieft ins Gespräch mit Anja Sonnlein. Die Reporterin des SWR-Fernsehens, sonst für die Berichterstattung der Fasnetsveranstaltungen zuständig, schüttelte die blonden Locken und plinkerte dem Kommissar mit ihren hellblauen Augen zu. Verena konnte förmlich spüren, wie Fischers Hormone in Wallung gerieten.
    »Wenn die Frau Sonnlein Fragen hat, dann kümmere dich um sie«, rief Verena einer plötzlichen Eingebung folgend. Fischer strahlte sie an und nickte. Verena hastete die Treppe hinunter – sie hätte nicht gedacht, den Kollegen an diesem Tag auf so elegante Art und Weise loszuwerden. Denn das, was sie als

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