Klostergeist
rufe ich Seite auf und du gibst Zahlen durch.«
»Also, Martinus, sieben, zwei, vier …«, las Pius vor. Zur Sicherheit wiederholte Martinus die angegebene Nummer noch einmal.
»Un momento«, nuschelte Martinus.
Pius trommelte mit den Fingern auf den Kontoauszug. Kleine Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. Für einen winzigen Moment dachte er daran, dass er dieses Telefonat niemals hätte führen sollen.
Martinus’ Räuspern riss ihn aus seinen Gedanken. »Ist von Firma mit die Bank in Tuttlingen«, informierte der Römer. »Ist aber Firma aus Monaco. Heißt sich ›Megawinn‹.«
»Monaco? Megawinn?« Ungläubig wiederholte Pius das eben Gehörte.
»Soll buchstabieren?«
»Nein, Martinus, ich denke nur eben … Monaco … was fällt dir dazu ein?«
»Oh, Spielcasino, Filmstars und keine Steuern«, antwortete Martinus wie aus der Pistole geschossen. »Und Andréa, unsere Freund aus Konvent, dort wurde er geboren.«
Pius nickte und, als hätte er dies sehen können, sagte Martinus: »Ich habe geholfen?«
»Ja, Martinus, sehr«, antwortete Pius, obwohl er nun mehr Fragen als Antworten hatte. Engel und Monaco? Wie hing das zusammen?
»Und wann kommst du nach Rom? Jetzt schuldest du mir eine Gefallen«, scherzte Martinus. »Diese Auskunft muss wert sein große Karaffe Wein in Bar Pirandola.«
Pius lachte. »Du änderst dich nie, Martinus!«
»Aber warum ich sollte? Ist gute Wein, ist gute Bar und alle Wege führen nach Rom. Deine auch, Pius!«
Hier ist Radio Donauwelle, euer Sender für den Kreis Tuttlingen. Ich bin Regina und erwarte demnächst den Anruf von Steven, der euch live von der Pressekonferenz zum Tode von Manfred Engel berichten wird.
Das eben war Gianna Nannini mit ›Bello e impossibile‹. Gleich gibt’s für euch noch einen Italosong: Eros Ramazotti ›Piu bella cosa‹. Als Erstes aber eine Suchmeldung von Frau Irmtraud Welke aus Tuttlingen. Ihr Pudel Sissi ist heute Morgen beim Spaziergang am Donauspitz ausgebüxt. Sissi hat weiße Locken und trägt ein rotes Lederhalsband. Frau Welke verspricht dem ehrlichen Finder eine Belohnung in Höhe von 50 Euro.
Sparen könnt ihr bei unserem Werbepartner, Gebrüder Karl, Optikfachgeschäft. Neben der Rabattaktion und einem kostenlosen Brillenetui für jeden Kunden bieten die Mitarbeiter heute eine kostenlose Brillenreinigung per Ultraschall an.
Der Zeiger auf der Wanduhr rückte unaufhaltsam vorwärts. Verena Hälble schob zwei Dutzend eng beschriebene Karteikarten auf dem Schreibtisch hin und her. Mit ihrer nach links abfallenden Handschrift hatte sie in aller Eile Stichworte zum Fall notiert. Erste Erkenntnisse. Fakten. Fragen. Viele Fragen.
Wie ein Puzzlespiel sollten sich die Notizen auf den Karteikarten später aneinanderfügen – auch wenn die Kollegen sie ein ums andere Mal wegen ihrer Methode belächelt hatten. Auf der Polizeischule lernte man das anders, doch Verena, die als Kind die Bücher von Astrid Lindgren verschlungen hatte, wusste, dass die schwedische Autorin so gearbeitet hatte. Mit Hunderten Karteikarten, aufgehängt auf einer Wäscheleine, hatte sie sich an den Geschichten entlanggehangelt. Auf die Wäscheleine verzichtete Verena, nachdem sie eines Morgens statt der Aufschriebe alte Socken an der Leine im Büro gefunden hatte.
»Mensch, die Zeit rennt uns weg, die Pressefuzzis warten schon«, stöhnte die Kommissarin. Sie mochte gar nicht daran denken, welcher Menschenauflauf sie in wenigen Minuten im Konferenzraum unter dem Dach des Fachwerkgebäudes, in welchem die Wache untergebracht war, erwarten würde. Aus dem Fenster hatte sie die Übertragungswagen von SWR und ARD gesehen, dazu an die 20 Kleinbusse und Transporter mit Kennzeichen aus der ganzen Republik, aus denen nach und nach mit Blöcken, Diktiergeräten und Mikrofonen bewaffnete Journalisten geklettert waren. Der gesamte Parkplatz vor der Wache war belegt.
»Na, die können warten, ohne uns fangen die nicht an«, meinte Thorben Fischer lakonisch. Doch das leichte Zittern in seiner Stimme verriet seine Nervosität.
»Also, noch mal von vorne.« Verena schob die Karteikarten zu einem Stapel zusammen und begann von Neuem, als würde sie eine Patience legen.
»Wir haben einen toten Bürgermeister«, sinnierte sie und legte die Karte mit Engels Namen in die Mitte.
»Eine Frage, die ich mir stelle: Wie kam Engel auf den Turm? Die Tür, sagt Pater Pius, ist den Wenigsten bekannt. Und schon gar nicht können Außenstehende wissen, wo der
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