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Klostergeist

Titel: Klostergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Porath
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Fach.
    »Hier müsste der Vorgang zu finden sein.« Mit einem strahlenden Lächeln drückte sie Verena den Ordner in die Hand.
    »Gibt es einen Platz, wo ich das in Ruhe durchsehen kann?«
    »Ja, ich kann Ihnen das Trauzimmer anbieten, da heiratet grade niemand.« Sabine Fischer ließ ein herzhaftes Lachen hören, griff nach dem Schlüsselbund neben dem Laptop und bat Verena, ihr zu folgen.
    Zu den Wartenden im Vorraum hatten sich mittlerweile zwei weitere Mütter nebst Kleinkindern gesellt. Eines hing heulend auf dem Schoß seiner Mama, das andere warf mit großer Begeisterung die in einem Ständer präsentierten Formulare auf den Boden. Verena folgte Sabine Fischer durch die Eingangstür und über die Betonbrücke, die zur anderen Seite des Gebäudekomplexes führte.
    »Wissen Sie, was ich manchmal denke?«, entfuhr es der Kommissarin beim Blick auf die grauen Gebäude. »Ich denke, der Architekt dieses Betonklotzes sollte posthum geteert und gefedert werden.«
    Sabine Fischer kicherte leise und steckte den Schlüssel in die Tür, die genau gegenüber dem Eingang lag. »Na, immerhin können wir im Inneren einiges tun.«
    Und wirklich – das Trauzimmer hatte nichts mit der Betonwüste draußen, die dank Sanierungsmaßnahmen in den vergangenen Monaten freundlicher wirkte, zu tun. Ein immens großer Glastisch, dekoriert mit frischen Blumengestecken, dominierte den Raum. Verena spürte einen wohligen Schauder, als sie an all die verliebten Paare dachte, die auf den schwarzen Lederstühlen Platz nahmen, um den Bund fürs Leben einzugehen.
    »Ich denke, hier haben Sie Ruhe«, unterbrach die Standesbeamtin den melancholischen Gedanken. »Und wenn Sie einen Kaffee mögen, im Vorraum ist eine Maschine.«
    Verena legte vorsichtig den Ordner auf die blank geputzte Glasplatte. Unschlüssig sah sie sich um.
    »Setzen Sie sich ruhig auf meinen Platz«, lud Sabine Fischer sie ein. »Und falls jemand kommt und heiraten will, dann rufen Sie mich.«
    »Oder Sie bringen mir einen Mann, ich wär’ ja schon vor Ort«, scherzte Verena zurück.
    Wenige Minuten später hatte die Kommissarin allerdings vergessen, an welch romantischem Platz sie sich befand. Den Kopf tief über die Aktenseiten gebeugt, folgte sie den Aufzeichnungen der Gemeinderatssitzungen der vergangenen Monate. Da ging es um Zuschüsse für die seit Jahrzehnten geforderte Ortsumgehung, um die Auswahl der Straßenlaternen für das Neubaugebiet, um die Höhe der Miete für Veranstaltungen in der Stadthalle und um den kommenden Weihnachtsmarkt, der in diesem Jahr mit Kilometern von Lichtschläuchen aufgepeppt werden sollte. Jene Seiten, die sich mit den Stadtfinanzen beschäftigten, verstand Verena nur zur Hälfte. Ihr Kopf begann zu pochen ob all der Zahlen und Auflistungen und sie erinnerte sich an die Kaffeemaschine im Vorraum. Doch just in dem Moment, als sie aufstehen wollte, fiel ihr Blick auf eine Passage, die von Sabine Fischer mehrfach handschriftlich korrigiert worden war.
    Verena beugte sich noch tiefer über die Akten und riss dann erstaunt die Augen auf: In einer nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung vor ziemlich genau sechs Wochen hatte Arthur Hafen sich lautstark zu Wort gemeldet. Bereits Monate zuvor hatte er beim Bauamt, laut Sitzungsprotokoll, den Antrag gestellt, das Gebäude zur Rechten seines Schuhgeschäftes von der Stadt, die im Grundbuch als Besitzer eingetragen war, zu erwerben. Da es sich um ein altes, weder gedämmtes noch sonst renoviertes Haus handelte, in welchem bis vor zwei Jahren eine schrullige Alte gewohnt hatte, schätzte Hafen den Wert des Gebäudes auf null, den des Grundstückes aber auf etwa 45.000 Euro.
    Hafen legte in der Sitzung detailliert dar, welche Wand er durchbrechen, und welche Fenster er durch große Glasflächen ersetzen wollte. Verena blätterte weiter und fand eine Skizze, die das Schuhgeschäft in künftigem Glanze zeigte – kein Vergleich mit dem dunklen, miefigen Laden, in dem Hafen bislang Pumps und Turnschuhe, Stiefel und Lammfellpuschen feilbot.
    Sabine Fischer hatte auch jene Aussagen des Schuhhändlers ins Protokoll aufgenommen, in denen er auf die momentane finanzielle Situation seines Ladens – ›Mir müssed umbaua, sonschd kommed gar koine Kunden mehr!‹ – und die drohende Schließung einging – ›Ond dann habet mir nommal a paar Arbeitslose mehr!‹
    Die Zustimmung des Gremiums zum Verkauf schien reine Formsache zu sein – doch als bereits die ersten Hände der Räte nach oben schnellten, war

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