Klostergeist
Wirtschaft nun wirklich genug.«
Wieder nickte Verena, wieder notierte Fischer eifrig.
Evelyne Engel nahm einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse beinahe geräuschlos zurück auf den Unterteller. »Wobei … doch, jetzt wo Sie fragen«, setzte sie schließlich an.
Verena beugte sich vor, Fischer klickte mit dem Kugelschreiber.
»Das ist so zwei, vielleicht auch drei Wochen her. Ich gehe, wenn ich hier bin, gerne am Abend noch auf ein Zirkeltraining ins Fitnessstudio. Sehr zur Freude der Bodyguards, die dann auch ein bisschen Gewichte stemmen dürfen.« Evelyne Engel kicherte leise. »Was die Herren allerdings gar nicht freut, ist, wenn ich zu Fuß nach Hause laufe. Aber ich finde es, ehrlich gesagt, ziemlich blöde, mit dem Auto zum Sport zu fahren.« Wieder lachte sie leise vor sich hin. »Jedenfalls gehe ich da gerne die Hauptstraße entlang, ich komm ja sonst kaum zum Schaufensterbummel. Ich kann Ihnen, falls Sie es gleich fragen sollten, leider beim besten Willen nicht mehr sagen, wann genau das war. Und auch nicht, wo. Aber meine Wachmänner sind ganz schön nervös geworden, als wir plötzlich Schreie gehört haben. Nein, keine Schreie, es war ein lauter Streit. Zwei Männerstimmen.«
Verena beugte sich weiter vor. Fischer blätterte eine Seite weiter.
»Ich hab mich nicht irritieren lassen. Selbst hier in Spaichingen sind nachts unschöne Gestalten unterwegs.«
Verena konnte sich lebhaft vorstellen, wie Evelyne Engel, gewandet in einen Designer-Fitnessanzug und gefolgt von zwei schwarz gekleideten Bodyguards, mit hoch erhobenem Haupt die Straße entlangmarschiert war.
»Was ich auf jeden Fall noch weiß, ist, dass es auf der rechten Seite der Hauptstraße war, vom ›Bären‹ aus Richtung Rottweil gesehen. Und es muss nach 22 Uhr gewesen sein, denn die meisten Schaufensterbeleuchtungen waren schon ausgeschaltet.«
Evelyne, die ihrer Erscheinung nach offensichtlich in den besten Stuttgarter Boutiquen einkaufte, erzählte dies völlig neutral. Doch Thorben Fischer schnaubte verächtlich. Verena schickte ihm einen giftigen Blick zu.
»Ich bin einfach weitergegangen. Aber dann kam ich an einen Durchgang zwischen zwei Häusern. Bitte, fragen Sie mich nicht, wo genau das war, ich war in Gedanken sicher ganz woanders. Jedenfalls hörte ich Geschrei, zwei Stimmen, wie ich schon sagte, eigentlich brüllten beide gleichzeitig.«
»Konnten Sie etwas verstehen?«, hakte Verena nach.
»Beim besten Willen, Frau Kommissarin, das konnte ich nicht, einige Schimpfwörter hab ich gehört, Sachen wie ›Schuft‹, ›Dieb‹ und Ähnliches, was ich nicht wiederholen möchte.«
Verena nickte verständnisvoll.
»Auf einmal ist einer der Männer aus dem Gässchen gerannt«, erzählte Evelyne weiter und strich sich mit einer beinahe fahrigen Bewegung eine blonde Locke aus der Stirn. »Meine Bodyguards haben sich sofort vor mich gestellt und so hatte ich keine gute Sicht. Aber ich bin ganz sicher, dass das mein Schwager war.«
»Manfred Engel?«, riefen Verena und Fischer im Chor.
Evelyne nickte. »Meine Jungs haben mich dann gegen die Hauswand gedrängt. Manfred rannte in Richtung Marktplatz davon, der andere Mann kam beinahe gemächlich aus dem Gässchen.«
»Konnten Sie ihn erkennen?« Verena spitzte die Ohren, um ja kein Wort zu verpassen.
»Nein, wie ich schon sagte, erstens war es dunkel und zweitens haben die Bodyguards ziemlich breite Rücken. Aber der Mann war nicht sehr groß, ich glaube, eher dicklich. Und er hatte eine Halbglatze, da bin ich mir ganz sicher. Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber er ist dann auch ziemlich schnell verschwunden und das war’s.«
Arthur Hafen, dachte Verena.
»Arthur Hafen!«, meinte Fischer leise.
»Ich glaube, es könnte Arthur Hafen gewesen sein«, bestätigte Evelyne Engel und griff nach der Tasse. »Aber ganz sicher bin ich mir da nicht, nach der langen Zeit.«
Radio Donauwelle, euer Sender für den Landkreis Tuttlingen! Mein Name ist Tom und ich hab hier die aktuellsten Blitzermeldungen für euch: In Fridingen am Ortsausgang und in Weilheim Richtung Tuttlingen haben unsere Hörer Starenkästen gesichtet. Im Zweifel: runter vom Gas. Ach ja: Das entlaufene Rind wurde bei Aixheim eingefangen. Entweder gibt’s morgen Steaks, oder der Bauer ist Tierfreund. Hahaha!
Gleich nach halb fassen wir den Tag für euch zusammen. Dann gibt’s auch Neues vom Tod des Bürgermeisters aus Spaichingen.
Vor dem nächsten Song der Hinweis unseres Werbepartners Gebrüder
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