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Klostergeist

Titel: Klostergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Porath
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ein Frühstücksbuffet. Sehtest, Rabattaktion. Kostenlose Brillenreinigung und Brillenetuis für alle inklusive.
    Bis zu meinem Frühstück wird’s noch eine lange Nacht. Lasst mich nicht allein! Wir starten mit Peter Schillings ›Major Tom‹ in die Traumzeit. Völlig schwerelos …
     
    Pius lutschte träge an der Nussschokolade. Ganze Haselnuss. Eigentlich liebte er es, die in Schokolade gebadeten Nüsse mit Höchstgeschwindigkeit zwischen den Zähnen krachen zu lassen. Doch heute Abend war er selbst zum Kauen zu müde. Der Pater spürte, dass seine Augen gleich zufallen würden. Seufzend schälte er sich aus dem Sessel und schaltete den Fernseher aus. Er war allein im Wohnzimmer der Patres. Die anderen hatten sich direkt nach der Tagesschau in ihre Zellen zurückgezogen. Doch Pius, in dessen Kopf die Gedanken wirbelten, hatte noch einige Zeit der Aufzeichnung einer vatikanischen Messe auf ›K-TV‹ zugesehen. Ohne wahrzunehmen, was die Kurienkardinäle rings um den Altar taten, ohne der Predigt wirklich zu lauschen. Die italienischen und lateinischen Formeln, welche hinter der deutschen Synchronisation durchdrangen, lullten ihn ein. Mechanisch hatte er ein Stück Schokolade nach dem anderen von der Tafel abgebrochen. Ein Nusssplitter hatte sich in seinen Backenzähnen verhakt. Pius fischte mit der Zunge danach, löschte das Licht und schlug den Weg zu seiner Zelle ein.
    Vielleicht würde er ein bisschen in Steven King lesen. Oder in der Bibel, das Alte Testament. Das würde ihm guttun, zu lesen, wie die Urväter den Bund mit Gott eingingen. Mose 2, genau. Das wäre die richtige Lektüre für diesen Abend. Pius beschleunigte seine Schritte.
    Das schrille Klingeln der Glocke hallte beinahe gespenstisch in dem langen Gang wider. Pius zuckte zusammen. Noch einmal wurde auf die Klingel gedrückt, länger dieses Mal. ›Damals sangen Mose und die Israeliten dies Lied dem Herrn und sprachen: Ich will dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan‹, murmelte Pius den Anfang des 15. Verses. Das Klingeln hörte nicht auf. Seufzend wandte er sich um und betrat die kleine Pförtnerloge. Hier, in Pater Josefs Reich, hatte jedes Ding seinen Platz: Das Besucherbuch lag im rechten Winkel zum Lineal, mit dem Pater Josef akkurate Linien unter jeden Namen zog. Selbst der kleine Kaktus, welcher auf dem Schreibtisch stand, schien seine winzigen Stacheln mit geomterischer Strenge in die Luft zu recken.
    Auf dem Monitor der Überwachungskamera erkannte Pater Pius die schwarz-weiß flimmernde Gestalt eines Mannes, der sich nahe an die Linse beugte. Im Hintergrund war ein dunkler Wagen zu erkennen, an dessen Fahrertür ein weiterer Mann lehnte und an einer Zigarette zog. Ein dritter Mann war als Schatten hinter dem Wagen zu erkennen.
    Pius drückte auf den Sprechknopf. »Ja bitte?«
    »Ich muss mit Pater Pius sprechen«, meinte der Besucher draußen.
    »Ich bin es selbst«, antwortete Pius.
    »Bitte lassen Sie mich herein, ich weiß, dass es spät ist«, nuschelte die Gestalt. Pius kniff die Augen zusammen und starrte auf den kleinen Monitor. Das war doch …
    »Herr Engel! Um diese Zeit«, entfuhr es Pius.
    »Kannischreinkommn?« Jens-Uwe Engel blickte flehend in die Kamera.
    Pius drückte den Türöffner. Im selben Moment, in dem der Pater aus der Pförtnerloge trat, stolperte der Banker in den Flur.
    »Hoppla«, sagte Engel und stützte sich an der Wand ab. »Binnichwohl … gestolpert … binnichwohl.« Engels Krawatte saß merklich schief über dem zerknautschten Hemd. Seine sonst perfekt gestylten Haare lagen wirr um den Kopf. Der Banker rülpste leise. Eine Bierfahne wehte durch den Flur. Pius schickte ein Stoßgebet zu seinem Herrn. Mit der Zunge versuchte er erneut, den Nusssplitter zwischen seinen Backenzähnen loszuwerden, während er Engel unterhakte und in das vorderste Besucherzimmer bugsierte. Der späte Gast ließ sich in den erstbesten Sessel fallen. Pius setzte sich ihm gegenüber an den einfachen Holztisch.
    Eine gute Seele – vermutlich Bruder Johannes – hatte in der Mitte des Tisches auf ein gehäkeltes Deckchen eine Flasche Heilwasser und vier Gläser gestellt. Pius schenkte zwei Gläser voll. Eines schob er dem Gast zu, der mit zitternder Hand danach griff und es in einem Zug leerte. Aus dem anderen nahm er selbst einen kleinen Schluck und versuchte so unauffällig wie möglich eine heimliche Mundspülung. Doch das Nussstück ließ sich nicht wegwaschen.
    »Dankeschön«, murmelte Engel und

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