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Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Titel: Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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bisschen aussah wie ein Dirigent mit festgeklebten Schuhen, aber seine Augen schienen noch gut zu sein, denn er zeichnete einen Vogel, der ungefähr zwanzig Meter entfernt auf einem Baumstamm herumhackte, unglaublich detailgetreu.
    »Dieser Vogel heißt Specht«, klugscheißerte Martin in meine Richtung.
    »Vögelei ist wohl dein Steckenpferd?«, fragte ich.
    Martin wurde rot.
    »Haben Sie ihn in letzter Zeit mal gesehen?«, fragte Birgit.
    »Natürlich. Aber er war irgendwie komisch. Sah alt aus.«
    Hauschild schlug das Papier seines Blocks um und zeichnete mit wenigen, schnellen Strichen ein Porträt von Gregor. Martin und Birgit starrten erst auf das Papier und dann einander beeindruckt an. Mit zwölf kräftigen Kohlestrichen hatte er Kriminalhauptkommissar Gregor Kreidler perfekt getroffen.
    »Hat er das Mokick noch?«, fragte Hauschild, während er wieder ein Blatt umschlug. Dann zeichnete er ein Porträt von Birgit, bei dem selbst mir die Kauleiste runterklappte. Birgits Augenbrauen und Nase waren mit einem einzigen durchgehenden Strich perfekt dargestellt, die Lippen zeigten genau den richtigen Schwung nach oben. Der Mann war ein echter Künstler.
    »Er hatte es, bis er dreißig wurde«, sagte Martin.
    »Dreißig? Was faseln Sie da, mein Freund? Susanne hätte nie einen so viel älteren Mann geheiratet!«
    29. Juni, Tag 2 nach Gregors Festnahme
    Aus Hauschild war kein vernünftiges Wort herauszuholen gewesen. Aber Birgit hatte den ganzen Abend über gejammert, dass man etwas für Gregor tun müsse, und so fuhr Martin am Dienstag gezwungenermaßen wieder zum Knast, um endlich mit Gregor zu sprechen. Er sagte sein Sprüchlein auf und erhielt die Information, der Inhaftierte wünsche keinen Besuch.
    »Das muss ein Irrtum sein«, sagte Martin verwirrt. »Ich bin sein bester Freund und …«
    »Wir haben die Anweisung von Herrn Kreidler, keinen Besuch zu ihm zu lassen. Wir können ihn nicht zwingen, wenn er nicht will. Bitte gehen Sie.«
    »Es geht um das Leben seines Patenkindes«, sagte Martin.
    »Du lügst!«, brüllte ich begeistert. Martin log! Diesen Tag müsste ich mir rot im Kalender anstreichen und zum internationalen Feiertag erklären.
    »Wenn Sie Herrn Kreidler nicht umgehend in den Besuchsraum schaffen, werde ich Sie persönlich haftbar machen«, fuhr Martin fort.
    »Martin, Martin«, brummte ich glucksend, »dafür wirst du in der Hölle schmoren.«
    »Unsinn«, erklärte der Vollstrecker an der Pforte der JVA, aber seine Stimme klang nicht mehr ganz so sicher wie zuvor.
    »Wollen Sie es darauf anlegen?«
    Ich kannte mein Martinsgänschen nicht wieder. Noch nie im Leben war er dermaßen dreist aufgetreten, ohne auch nur ansatzweise rot zu werden oder zu stottern oder hyperventilierend vom Stuhl zu kippen.
    Der Türsteher wandte sich ab und telefonierte. Legte den Hörer auf. Erhielt einen Anruf und lauschte. Dann drückte er die Tür auf.
    Martin trat in einer Mischung aus Freude über seinen gelungenen Coup und Aufregung vor dem Wiedersehen mit Gregor durch die Tür. In dem Büro, in dem wohl üblicherweise die Personalien festgestellt und die Besucher durchsucht werden, wartete ein Anzugträger auf Martin. Er ließ sich den Personalausweis zeigen, notierte die Angaben und gab ihn dann zurück.
    »So, Herr Gänsewein, dann erklären Sie mir doch bitte, was Sie mit Ihrem Auftritt hier beweisen wollen.«
    Martin wurde blass.
    »Sie haben hoffentlich nicht wirklich geglaubt, dass Sie damit durchkommen?«
    Martin blickte zu Boden.
    »Wenn Sie Herrn Kreidler einen Gefallen tun wollen, dann bringen Sie nicht die Mitarbeiter dieser Anstalt gegen ihn auf, indem Sie hier Drohungen aussprechen oder wilde Geschichten erfinden. Haben wir uns verstanden?«
    Martin nickte mit Tränen in den Augen.
    »Die Situation ist für jeden Angehörigen oder Freund eine Belastung, aber je früher Sie sich mit dem Offensichtlichen abfinden, desto besser für alle Beteiligten. Auf Wiedersehen.«
    Der Mann legte Martin eine Hand auf die Schulter und führte ihn zur Tür. Martin schlich wie ein geprügelter Hund am breit grinsenden Vollstrecker vorbei nach draußen. Dort setzte er sich in seine Ente und legte den Kopf auf das Lenkrad. Ich konnte das Leid nicht mit ansehen und düste stattdessen zur Soko Sahne. Vielleicht hatten diese Jungs mehr Glück bei ihren Unternehmungen.
    »Wir haben das Typenschild von Kreidler in der Wohnung der Toten, wir haben Zeugenaussagen, die sein Auto am Abend des Mordes direkt vor der Haustür

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