Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
und später noch einmal in einer Nebenstraße gesehen haben, und wir haben DNA von Kreidler an der Leiche«, zählte Stein auf.Er sah wieder aus wie einer dieser Typen aus den bunten Modemagazinen, während Kollege Keller die Nacht unter einer Brücke verbracht zu haben schien.
Wenn von Zeugenaussagen die Rede war, hatten die Kripos in den letzten achtundvierzig Stunden vermutlich Hunderte Klinken geputzt, mit redseligen, schwachsinnigen, wichtigtuerischen, exhibitionistischen, kriminellen, langweiligen, aufdringlichen, durchgeknallten und sonstigen Leuten gesprochen – eben der durchschnittlichen Nachbarschaft einer Mittelklassestraße in Düsseldorf. In Köln wäre vermutlich die Hälfte der Nachbarn schwul und die andere beim Fernsehen gewesen, in Düsseldorf arbeiteten sie bei Banken oder Modelabels. In Köln hätten zwanzig Prozent trotz des starken bis sehr starken ausländischen Akzents eine gewisse Hilfsbereitschaft an den Tag gelegt, in Düsseldorf wurde Störern gern mit der Polizei gedroht. Glaube ich zumindest. Würde mich jedenfalls nicht wundern.
All das war im Grunde schnurzegal, denn worauf es ankam, war einzig und allein die Tatsache, dass es eng wurde für Gregor. Indizien und Zeugenaussagen sind das eine – DNA an der Leiche ist etwas ganz anderes. Leider hatten die Kripos nicht ausgeführt, welcher Art die DNA war, also ein Haar an Sahneschnittchens Schulter oder Körperflüssigkeiten in Regionen, die man nicht beim Händeschütteln erreichte. Solange ich aus dieser Quelle keine Hinweise auf die Art des letzten Zusammentreffens zwischen den beiden Exen bekam, musste ich mir wohl selbst in Erinnerung rufen, in welcher Stimmung sie waren, als ich sie noch unter Beobachtung hatte. Ich hockte mich auf die Spitze des Fernsehturms, blendete die Umgebung aus und erinnerte mich an den Donnerstag letzter Woche.
SECHS
24. Juni, 3 Tage vor Gregors Festnahme
Gregor und Jenny wollten gerade das Büro verlassen, um das Ergebnis der Pillenzählung im Altenheim zu checken, als der Empfang Besuch meldete.
»Eine Frau Sieger. Sie sagt, sie hätte Informationen zum Mord an Paulina Pleve«, tönte es aus dem Lautsprecher des Telefons.
Gregor runzelte kurz die Stirn, erinnerte sich dann, dass Frau Sieger die renitente Schürze war, die ihnen diese ganze Ermittlung überhaupt aufgehalst hatte, griff nach seiner Jeansjacke und schob den Stuhl zurück. »Ich fahre allein zum Sonnenschein und du notierst die wichtigen Informationen von Frau Sieger. Viel Spaß.«
Gregor nahm pfeifend den Hinterausgang, während Jenny die übereifrige Nachbarin in ihr Büro brachte.
»Was möchten Sie mir denn noch mitteilen?«, fragte sie desinteressiert.
»Hätten Sie vielleicht ein Glas Wasser für mich? Es ist so heiß heute.« Frau Sieger fächelte sich mit einem ordentlich gebügelten Stofftaschentuch mit Blümchendruck Luft ins Gesicht, während sie sich neugierig in Jennys Reich umsah.
Auf dem Weg zur Teeküche lief Jenny Offermann über den Weg. Ich hatte den Eindruck, dass er Jennymaus aufgelauerthatte, sobald Gregor aus dem Büro war. Er schien tatsächlich Interesse an unserem süßen Kindercop zu haben.
»Habe ich etwa die alte Klatschtante wieder hier im Haus gesehen?«, fragte der Kollege grinsend. »Die gibt wohl nie auf, was?«
Was sabbelte er für blödsinniges Zeug, wenn er sie doch nur flachlegen wollte? Warum baggerte Offermann Jenny nicht einfach geradeheraus an? Das Offermännchen war doch wohl kein Frauenversteher? Ich seufzte. Wenn sogar der Bullenbunker voller Softies war, hatte ich für diese Welt keine große Hoffnung mehr.
»Sie hat nichts Besseres zu tun«, seufzte Jenny.
»Soll ich sie übernehmen?«, bot Offermann an. »Ich brauche drei Minuten, um sie wieder aus deinem Büro zu befördern.«
Jenny grinste. »Nein, danke. Ich werde schon mit ihr fertig.«
»Wenn du mich brauchst, weißt du ja, wo du mich findest.«
Offermann strich Jenny eine Haarsträhne hinters Ohr, drehte sich um und schlenderte davon. Jenny lief kopflos in die falsche Richtung, erinnerte sich, dass sie in die Teeküche gewollt hatte, und saß einige Minuten später an ihrem Schreibtisch der Zeugin gegenüber. Ihre Gesichtsfarbe hatte sich inzwischen normalisiert.
»Nun?«
Frau Sieger trank einen winzigen Schluck, stellte das Glas ab und holte tief Luft. »Haben Sie schon mit Paulinas Freund gesprochen?«
Jenny blickte überrascht auf. »Hatte sie denn einen?«
Die Schürze reckte triumphierend das Kinn. »Aha,
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