Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
wusste, wie sie auf Sahnes Privatleben zu sprechen kommen sollte, aber dann gab sie sich einen Ruck und fiel mit der Tür ins Haus.
»Kennen Sie eigentlich den Freund von Frau Hauschild? Er soll ja eine Kneipe haben …«
Die Info hatte ich Birgit gesteckt, wenn ich auch den Namen, den ich bei der Soko gehört hatte, nicht mehr wusste. Irgendwas mit Agathe. Aber war das nicht ein Frauenname? Ich musste mich wohl getäuscht haben.
»Ein Grieche, aber sonst ganz nett. Er hat jedenfalls freundlich gegrüßt und ein paar Mal meine Einkaufstasche hochgetragen.«
»Wissen Sie, wie er heißt? Oder wie seine Kneipe heißt? Ich würde gern mit ihm sprechen.«
Frau Berger half ihrem Gedächtnis mit einem Likörchen auf die Sprünge, aber dann schüttelte sie den Kopf. »Diese Kneipe muss im Belgischen Viertel sein, aber wo genau, weiß ich leider nicht.«
Na, da würden Martin und ich mal auf eine kleine Sauftour gehen müssen, dachte ich bei mir. Unsere letzte Kneipentour hatte an meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag stattgefunden, war also fast genau ein Jahr her. Zeit für eine Wiederholung. Nur dass wir dieses Mal ein ganzes Viertel abchecken mussten. Martin würde zwölfmal hintereinander Kamillentee oder Stilles Wasser bestellen, ichwürde mich entsprechend häufig nach einem kalten Bier sehnen. Von härteren Sachen und heißen Weibern gar nicht zu sprechen …
Ich hatte den Faden verloren, aber offenbar nichts Wichtiges verpasst.
»…wie schade, dass Sie sie jetzt knapp verpasst haben«, sagte die Nachbarin schon mit leicht schleifender Zunge und hob ihr Gläschen auf das Wohl der Verblichenen.
Ich bewunderte die schöne Formulierung für einen ziemlich unschönen Mord und die Standhaftigkeit der Leber dieser kleinen Person.
»Seit ihr Vater im Heim ist, hat sie sehr viel Zeit dort verbracht. Er soll ja nicht mehr richtig ticken.« Frau Berger machte mit dem Finger eine kreiselnde Bewegung an der Schläfe. »Schlimm, so was.«
Sie trank ein Likörchen, vermutlich als Medizin gegen so was.
»Was passiert denn jetzt wohl mit der Wohnung?«, fragte Birgit. »Wer kümmert sich darum? Der Freund?«
Frau Berger unterdrückte ein Bäuerchen und zuckte die Schultern. »Ich glaube eher nicht, er hat nicht einmal einen Schlüssel. Wenn Frau Hauschild also mal nicht da war, habe ich mich um die Pflanzen gekümmert. Der Vater fällt auch aus. Ehrlich, Kindchen, ich weiß gar nicht, was in so einem Fall passiert. Vermutlich wird der Vermieter alles wegwerfen.«
Dein Einsatz!, schrie ich Birgit zu. Das ist unsere Chance!
Birgit schüttelte den Kopf, aber natürlich nicht als Antwort auf meine Aufforderung, denn die konnte sie ja nicht hören. Ich vermutete, dass sie damit ihr Bedauern über die angekündigte Vernichtung von Susannes persönlichen Habseligkeiten zum Ausdruck bringen sollte.
»Haben Sie etwas zu schreiben? Ich würde Ihnen gernmeine Telefonnummer geben. Wenn die Polizei die Wohnung freigibt, werde ich mich darum kümmern. Das ist ja das Mindeste, was ich noch für Susanne tun kann.«
JA! Birgit war einfach unschlagbar clever!
Frau Berger zwinkerte eine Träne aus dem Augenwinkel und legte eine Hand auf Birgits Arm. Dann erhob sie sich, musste sich kurz festhalten, um das Gleichgewicht zu finden, und brachte Birgit einen Block und einen Stift. Birgit schrieb ihre Handynummer auf. »Auch wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich an, ja?«
Frau Berger nickte mit schwerem Kopf.
In der Tür drehte Birgit sich noch einmal um.
»Wenn nun aber Frau Hauschilds Mörder schon in der Wohnung auf sie wartete?«, fragte Birgit. »Haben Sie vielleicht vorher jemanden gesehen?«
Die Schnapsdrossel, deren Atem inzwischen eine Gefahr für Birgits ungeborenes Kind darstellte, nickte heftig. »Hier ging es den ganzen Tag zu wie im Taubenschlag. Die junge Frau unter dem Dach ist am Freitag eingezogen.«
Ich ließ mir von Birgit ihren Besuch haarklein berichten – per SMS, was natürlich sehr umständlich war. Sie wollte mich anrufen, aber das ging ja leider nicht. Ich lobte ihren Einsatz, ihre Cleverness und wollte sie am liebsten gleich weiterschicken ins Heim zu Susannes Vater, aber es war schon zu spät. Immerhin war Mittwoch und dieser Tag stand seit Wochen ganz im Zeichen der Geburtsvorbereitung.
In der ersten Zeit war ich mitgegangen, um Martin beizustehen, denn außer ihm gab es nur noch einen weiteren Mann in dem Kurs. Die anderen Schwangeren kamen entweder allein oder brachten ihre beste Freundin
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