Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
Vom Netzwerk:
dass solche Typen nie das kriegen, was sie verdienen. Und dass viel zu viele von denen frei rumlaufen. Wenn Carla sich also mit einem Ballermann in der Handtasche besser fühlt – warum zum Teufel soll sie dann keinen haben?«
    Er hat ja recht. Ich hab ja auch so ein Ding. Und ich darf das noch weniger als Carla. Ich zünde mir eine Zigarette an.
    »Okay. Ich weiß von nichts.«
    Carla lächelt mich an, aber ihre Augen blicken immer noch finster zwischen ihren dunklen Locken durch.
    »Ich bau schon keinen Scheiß«, sagt sie, »mach dir mal keine Sorgen.«
    Ich sehe Rocco an. Er berührt Carlas Hand, und sie legt ihre in seine. Das sieht gut aus. Ich nehme einen Zug von meiner Zigarette und setze meine Sonnenbrille wieder auf.
    »Kommt ihr mit an die Elbe?«
    Carla gibt mir einen Schubs und sagt: »Wir kommen so was von dermaßen mit an die Elbe, das ahnst du nicht.«
    Mein Telefon klingelt. Klatsche ist dran.
    *
    Er hat mich um vier am Hafen abgeholt. Ich hatte gedacht, dass wir vielleicht alle vier eine Barkasse nehmen und ein bisschen durch die Speicherstadt schippern, aber dann sind Rocco und Carla alleine gefahren. Klatsche hat gesagt, dass wir mal reden müssen. Dass nicht alles einfach wieder gut ist, nur weil wir zusammen auf seiner Couch gelegen und eine Kochsendung gesehen haben. Er hat gesagt, dass er den Faden verloren hat, dass er nicht mehr weiß, wo es langgeht mit uns, dass er aber eine Richtung braucht. Dass er Angst hat, dass es sich sonst eines Tages einfach so verläuft. Dass wir uns verlaufen könnten, wenn wir uns nicht endlich für eine gemeinsame Richtung entscheiden. Solche Sachen hat er gesagt, und das in seinem Alter. Als ich in seinem Alter war, war es mir egal, was mit den anderen ist, ob sie bei mir bleiben oder nicht. Ich war ein Egoist. Klatsche überrascht mich immer wieder. Ich hab gesagt, dass ich nicht gut bin im Reden. Dass ich noch nie einen Faden hatte, und eine Richtung immer nur durch Zufall. Und dass ich mich in meinem Leben bisher noch jedes Mal verlaufen habe, wenn ich dachte: Jetzt bin ich aber da. Dass jemand wie ich nicht in der Lage ist, etwas zu versprechen.
    »Okay«, hat er gesagt, »wenn du nicht mit mir reden willst, dann muss du eben mit mir laufen, Baby. So lange, bis wir eine Richtung gefunden haben.«
    Inzwischen ist es sieben Uhr, die Abendsonne fließt durch Sankt Pauli, die Häuser geben ihre Wärme in die Straßen ab, wir laufen seit drei Stunden durch die Gegend. Wir reden nicht, wir sagen kein Wort, wir gehen nur spazieren. Vor ein paar Minuten hat Klatsche meine Hand genommen. Vielleicht, weil wir hier ums Eck zu Hause sind.
    In der Hein-Hoyer-Straße sitzen ein Mann und eine Frau vor einem Kiosk. Sie sitzen auf zwei umgedrehten Astra-Kisten, sie sind wahrscheinlich um die sechzig, vielleicht auch um die vierzig, das kann man nicht genau sagen, sie sehen aus, als wären sie hundertundzehn. Und sie sehen aus, als würden sie schon eine ganze Weile auf der Straße wohnen. Als hätten sie nicht mehr viel vor. Sie haben jeder eine Dose Bier in der Hand. Sie wirken extrem zufrieden.
    »Nö, also«, sagt die Frau. »Das trinken wir aber schon noch aus, oder?«
    »Jaaa«, sagt der Mann. »So viel Zeit muss sein. Da lassen wir uns gar nich hetzen. Das trinken wir noch schön aus.«
    Klatsche bleibt stehen, sieht mich an und sagt:
    »Bier?«
    »Würde zum Licht passen«, sage ich.
    Dann laufen wir weiter, Hand in Hand, in Begleitung von zwei kühlen goldenen Dosen. Wir laufen, bis es dunkel ist, wir laufen immer weiter durch unser Viertel, durch zwei Parks und wieder durch die Straßen, über die Reeperbahn bis zum Hans-Albers-Platz, und weil wir langsam richtig Durst haben und es hier auf dem Platz nur eine einzige vernünftige Bar gibt, müssen wir auch jetzt nicht reden, wir gehen einfach schnurstracks einmal über den Platz und hinten rechts durch die Tür, und schon atmen wir Rock ’n’ Roll und Alkohol und Männlichkeit. Das 20flightrock ist eine Männerkneipe. Was aber nicht bedeutet, dass hier keine Frauen sind, ganz im Gegenteil. Hier sind die richtig heißen Biester. Hier sind nur die, die sich was trauen. Sie tragen knispelenge Röcke mit Schlitz, tief ausgeschnittene Blusen und Shirts, Strumpfhosen mit Naht und niemals flache Schuhe. Ihre Frisuren sitzen so top und knallhart, die könnten einen Atomkrieg überstehen. Die Männer tragen Jeans, die alle aussehen wie das Original. Sie tragen Hemden, wie Robert Mitchum und Johnny Cash sie getragen

Weitere Kostenlose Bücher