Knecht – Die Schattenherren II
er in Kirettas eigene Brust geschlagen wäre. Sie war stark für eine Frau. Bren hatte Mühe, die tödliche Spitze fernzuhalten. Schließlich gelang es ihm, sie auf den Boden zu drücken und dort zu fixieren, indem er sich mit dem eigenen Gewicht auf den Arm lehnte.
Gadior griff anscheinend ins Nichts, aber als er seine Hand zurückriss, war ein weißes Etwas darin, das er in die Luft schleuderte, wo es sich auflöste. »Der Erste«, sagte er. »Aber nicht der Letzte.«
Mit jedem Geist, den er aus Kirettas Stirn zog, wurde sie ruhiger. Schließlich lag sie still.
»Sie schläft«, erkannte Bren.
»Das würde ich jetzt auch gern«, sagte Gadior. »Ich bin erschöpft. Aber dieses Land reizt mich. Sei so gut und hole mir ein paar Essenzkristalle.«
»Ja, Herr.«
Was sie während der Durchfahrt hochgeholt hatten, war verbraucht. Die Kiste mit den Vorräten befand sich neben der Kutsche im Laderaum. Drei Schattenrosse lebten noch, wenn man ihre Existenz denn Leben nennen konnte. Mit zwei Kristallen, in denen die Essenz grausilber glitzerte, kam Bren an Deck zurück.
Velon und Gadior standen beieinander. Sie nahmen kaum Notiz von Bren, als er ihnen ihre Speise reichte.
»Ich weiß jetzt, warum wir Stygron nicht sehen«, offenbarte Velon. »Es ist ganz klar. Er steht am Himmel der Nacht. Dies hier ist der Himmel des Tages. Nur die Sonne fehlt. Sie müsste all dies überstrahlen, sodass es für jedes Auge verborgen bliebe. Aber sie ist nicht da. Als hätte sie jemand vom Firmament genommen.«
»Das ist …« Gadior machte einige Schritte auf das Deck hinaus, studierte die Sterne, kam zurück. »Ungeheuerlich.«
Bren verstand nichts von den Sternen. Er ging zum Bug, um seinen Kopf zu leeren. Hatte er in dieser Nacht seine Unsterblichkeit aufgegeben? Wegen Kiretta? War er wirklich so schwach, wenn es um Frauen ging, wie manche sagten? Zu schwach für die Ewigkeit?
Vor ihnen lag ein dunkles Land. Aber es war nicht gänzlich schwarz, es gab helle Stellen in dem Massiv. Nicht nur grau, zum Teil auch in einem kalten Licht schimmernd. Metall, das die Helligkeit der Sterne zurückwarf? Wasserflächen? Dann wohl Flüsse, die aus den Bergen herabkamen.
Brens Finger tasteten über die Kette seines Morgensterns. Ein Licht unterschied sich von den anderen. Es war unbeständiger, zugleich wärmer, rot und orange. Er kniff die Augen zusammen.
»Feuer«, murmelte er.
Es war ein großer Brand. Während sie sich ihm mit langsamer Fahrt entlang der Küste näherten, betrachteten sie die seltsamen Pflanzen der Insel. Wenn es denn eine Insel ist, dachte Bren, und kein neuer Kontinent. Viele Gewächse strahlten ein kaltes Licht aus. Es beleuchtete ihre Umgebung, die dadurch unwirklich schien. In ihrem Licht sah Bren die Umrisse von Büschen und Bäumen, wie er sie kannte, aber die leuchtenden Pflanzen waren davon gänzlich verschieden. Sie ähnelten Blumen, aber doppelt mannshoch oder noch größer. Es gab verschiedene Arten. Bei den meisten entsprangen die fleischigen Blätter schon am Boden. Die Blüten, in die sich ein Mensch hätte hineinlegen können, öffneten sich in den Nachthimmel. Pilze oder Flechten bedeckten Felsen und ganze Hügel. Auch sie schimmerten in einem kalten Licht. Es gab viele Farben, Blau, Grün, Gelb, auch ein zartes Rot, aber sie alle wirkten, als schiene eine bunte Lampe durch klares Eis. Bren konnte sich nicht vorstellen, dass von diesem Licht Wärme ausging.
Dieser Eindruck wurde durch den Vergleich zu dem Feuer besonders deutlich. Inzwischen war das Prasseln der Flammen zu hören. Sie bogen sich im Wind, schickten Funken in den dunklen Himmel. »Dort brennen Häuser«, sagte Bren.
Gadior war anscheinend tatsächlich erschöpft. Er hatte sich unter Deck begeben, um zu ruhen. Velon stand neben Bren im Bug der Mordkrake . Noch immer bewegte er sich sparsam, obwohl seit ihrem Auftauchen aus dem Nebel bereits drei Stunden vergangen waren. Drei Stunden, in denen der Himmel weder heller noch dunkler geworden, die Sterne aber merklich gewandert waren.
»Ein Kampf?«
»Das nehme ich an, Herr. Ich sehe zwar keine Krieger, aber auch niemanden, der löschen würde. Wenn ein Unglück das Feuer hätte ausbrechen lassen, müsste sich das Dorf schon längst mit dem Löschen beschäftigen. Gelegenheit haben sie, sie könnten direkt aus dem Meer Wasser schöpfen.«
Einige Häuser waren nur noch schwach glimmende Ruinen, andere waren wegen ihrer Lage im Westen noch verschont geblieben. Es handelte sich um ein
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