Knigge fuer Individualisten
intime Zone: Da darf Ihre Freundin hinein, Ihre Chefin
nicht. Ringsum liegt die persönliche Zone; sie reicht bis zu einem Meter. Fremden
steht sie nur für Begrüßungsrituale und zu Ihrer Begleitung offen.
Freunde dürfen bleiben – ein ganzes Gespräch lang. In der gesellschaftlichen Zone
zwischen einem und drei Metern Radius wird geprüft, ob näherer Kontakt
erwünscht ist: auf dem Bahnsteig, beim Talk an der Theke. Als öffentliche Zone gilt ein
Radius von mehr als drei Metern. Da steht Ihr Publikum, wenn Sie eine
Rede halten.
Nicht jeder Knigge-Stilist fühlt sich in jeder
Distanzzone gleichermaßen wohl. Beobachten Sie sich bitte
selbst:
Welchen Mitmenschen erlauben Sie
einen längeren Aufenthalt innerhalb Ihrer intimen und
persönlichen Zone? Wer darf Sie – außer an der Hand – berühren,
ohne dass Sie sich bedrängt fühlen, z. B. welche Nachbarin oder
welche Kollegin?
Unter welchen räumlichen bzw.
atmosphärischen Bedingungen akzeptieren Sie wie viel Nähe? Wann
und wo brauchen Sie wie viel Distanz? Zum Beispiel wenn der
Kollege im Büro Ihnen einen Arbeitsauftrag gibt?
Wie angenehm oder unangenehm ist es
Ihnen, wenn Sie mit Fremden einen Raum teilen müssen? Nehmen Sie
statt des Aufzugs lieber die Treppe?
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie das
Distanzgebot verletzen müssen oder dürfen, etwa wenn ein
Verkäufer Ihnen die Ladentür aufhält?
Es gibt auf diese Fragen keine richtigen oder
falschen Antworten – nur individuelle. Sie sind dazu gedacht, dass Sie
sich selbst besser kennenlernen und so Ihre Aktionen und Reaktionen
einschätzen und vorhersagen können.
Sorgen Sie dafür, dass Sie Ihre Komfortzone nicht
allzu häufig verlassen müssen. Überlegen Sie, wie Sie Verletzungen
Ihrer Distanzzonen vermeiden können. Sorgen Sie gut für sich selbst –
damit Sie überzeugend wirken.
Die vierte Dimension: Alles hat
seine Zeit
Rennen Sie häufig gegen die Uhr an? Kommen leicht mal
zu spät, müssen vorzeitig wieder weg? Dann zählen Sie zu den dynamischen
oder zu den lockeren Kommunikations-Spielern. Vermutlich gefällt Ihnen der
Aphorismus »Ein guter Anfang braucht Begeisterung.« Na, dann können Sie doch
für Begeisterung sorgen – ganz diszipliniert. Oder?
Vom richtigen Zeitpunkt
Pünktlichkeit ist die
Höflichkeit der Könige. Mit d ieser Weisheit kann man wohl nur
bei Traditionellen punkten. Der Natürlich-Anständige findet so etwas
überkandidelt: Die Würde des Menschen ist unantastbar; deshalb lässt er
niemanden warten, »hohen« Besuch wie die Schwiegereltern genauso wenig wie
einen Schüler oder den Klempner. Bahnt sich eine Verspätung an, warnen beide
Stilvertreter rechtzeitig – gemäß der Regel: Niemand soll unnötig auf sie warten. Sie nehmen es nicht auf
die leichte Schulter, wenn sie doch einmal – natürlich schuldlos – zu spät
dran sind. Schnell oder lässig getunte
Spieler laufen eher Gefahr, Wartende vor den Kopf zu stoßen:
»Uff, jetzt bin ich da!«, reicht jetzt nicht. Bitten Sie um Verzeihung; kurz
und knackig, doch mit Zauberwort ( > ) oder mit einer Umarmung.
Die Regeln für Besuchs- und Anrufzeiten in Privathaushalten
sind passé. Dennoch ist es riskant, zu jeder beliebigen Tages- oder
Nachtzeit bei Bekannten aufzukreuzen oder anzuläuten. Großmütter brauchen
vielleicht ihren Mittagsschlaf, Eltern von Kleinkindern auf jeden Fall Ruhe
für die Gutenachtgeschichte. »Wann soll ich am besten anrufen?« – »Darf ich
später zum Kaffee vorbeikommen?« Das klären Sie im Vorfeld per SMS. Ihre Oma
hat kein Handy? Ändern Sie das zu ihrem nächsten Geburtstag.
Gekommen, um wieder zu gehen
Sie verbringen vermutlich mehr Zeit am Arbeitsplatz
als mit Familie und Freunden, und denen geht es nicht anders. Gehen Sie mit
Ihrer und deren Zeit behutsam um und klären Sie vor einem Treffen: »Wie
lange könnt ihr bleiben?« Oder: »Gehen wir nach dem Kino was trinken?« Klare
Absprachen liegen natürlichen und dynamischen
Akteuren, für Traditionsbewusste sind sie überflüssig: Sie wissen, dass für einen Empfang oder ein
Glas Wein eine Stunde, für ein Mittagessen zwei und für ein Abendessen gut
drei Stunden zu veranschlagen sind. Und empfehlen sich eine halbe Stunde,
nachdem am Ende eines Essens der Kaffee gereicht wurde. Lässige fühlen sich von Zeitangaben
eingeengt. Brechen Sie dennoch trotz bombiger Stimmung auf, bevor Ihre
Freunde gähnen.
Die
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