Knigge fuer Individualisten
weil …«, »Ihr seid gekommen, um zu …« Wenn Sie Wünsche und
Erwartungen Ihres Publikums thematisieren, brauchen Sie nicht um
Aufmerksamkeit zu betteln. Ans Glas klopfen, um sich Gehör zu
verschaffen? Total uncool. Kreative Redner sorgen mit hintergründigen
Zitaten, aktuellen Zeitungstiteln oder rhetorischen Fragen für
Aha-Effekte. Humor ist eine Wunderwaffe: Wer Ihren Einstieg verpasst
hat, spitzt sofort die Ohren, wenn die anderen lachen.
Erhöhen Sie die Spannung, platzieren Sie Ihre
offizielle Anrede erst danach. Geschickte Redner bitten zuerst einmal
alle ins Boot: »Sehr geehrte Damen und Herren« oder »Liebe Freunde«.
Danach erst würdigen sie die Honoratioren – einzeln oder in Gruppen
(»die Gemeinderäte«). Mehr als fünf Einzelne sollten es nicht sein:
keine Inflation! Der gesunde Menschenverstand hilft bei der Sortierung
weiter als das offizielle Protokoll: Allen Anwesenden sollte
einleuchten, warum manche Personen herausgehoben werden, andere nicht.
Die Top 3 sind – in genau dieser Reihenfolge: 1. Jubilare, 2.
Gastgeber, 3. Mandatsträger.
Die Struktur des Hauptteils ergibt sich aus Anlass
und Anliegen: Vom Gastgeber werden zumindest freundliche Worte über
die Gäste und Informationen über den Ablauf erwartet. Gäste sollten in
ihren Dankesworten a. die Gastgeber, b. Ambiente und Kulinaria, (sie
brauchen nicht jedes Brokkoliröschen zu erwähnen), c. die ach so reizende Gästeschar
würdigen.
»Ende nix, alles nix.«, soll Max Horkheimer gesagt
haben, wobei man von einem deutschen Philosophen gar nicht so einen
knackigen Spruch erwartet hätte. Was soll am Ende Ihrer Rede in
Erinnerung bleiben? Resümieren Sie Ihr Anliegen in einem – kurzen! –
Satz. Fordern Sie die Gäste zum Austausch auf: »Unterhalten Sie sich
gut.« Motivieren Sie als Gast die anderen, auf das Wohl der Gastgeber
anzustoßen: »Danke von uns allen!«
Bühne frei: Ihr Publikum will
applaudieren
Was sagen Sie wie? Lockere Redner bereiten Reden nicht vor: »Ich bin nur
gut, wenn ich spontan bin.« Ein Raster für den Notfall würde Ihre
Spontaneität aber nicht behindern, sondern fördern. Zum Beispiel
dieses:
Herzen gewinnen: Kontakt
herstellen. Das schaffen Sie als Lässige locker.
Spannung erzeugen: Fragen in den
Raum stellen, Rätsel aufgeben. »Wisst ihr, was sich Tobi in
Frankreich geleistet hat?«
Spannung lösen: »Nein, es war
kein Absturz. Er hat sich dort – Frankreich, Leute! – verliebt.«
Eine Anekdote noch; in der Begeisterung Bezüge zum Publikum
nicht vergessen.
Zur Aktion auffordern: Klatschen,
auf die deutschfranzösische Freundschaft trinken, usw. Ende was,
alles was.
Traditionelle bereiten sich vor, haben Fakten recherchiert, den Text formuliert, den
Auftritt geübt. Hoffentlich nicht vor dem Spiegel, denn da hätten sie
sich nur (noch mehr) verkrampft. Üben? Wenn schon, dann mit
Videokamera. Herren alter Schule gefallen sich oft in Lobgesängen auf
die Damen. Emanzipierte Frauen finden solche »Damenreden« antiquiert.
Wundern Sie sich nach Ihrem Minnesang also nicht über schwachen
Applaus von Frauenseite.
Dynamische finden es klasse, wenn andere ihnen zuhören, und kneifen nicht vor
einer Rede. »Eva, bitte ein paar Worte.« – »Klar!« Ist Eva schlau,
springt sie aber nicht sofort auf, sondern nimmt sich das Recht, sich
zu sammeln: »Klar, sobald der Kaffee serviert ist.« Schnell zieht Eva
ein flottes Zitat und ein Rederaster aus ihrem Gedächtnis.
Scheinwerfer an! Teilen Sie aber Ihre Power ein. Nicht stark anfangen
und dann stark abfallen. Halten Sie durch. Bis zum Schlussapplaus. Sie
wollen ihn sich schließlich verdient haben.
Natürliche scheuen öffentliche Auftritte und reden nur, wenn es unumgänglich ist,
z. B. am 80. Geburtstag der Patentante, die stets so gütig war. Wenn
Sie ins Rampenlicht treten: Stolpern Sie nicht hinein. Suchen Sie sich
eine Stelle, von der aus Sie alle und alle Sie sehen und hören können.
Bitten Sie eine vertraute Person, für Ruhe zu sorgen. Jetzt einatmen,
Luft anhalten, doppelt so lange aus- wie einatmen, mit leeren Lungen
innehalten, einatmen. Schauen Sie in die Runde. Reden Sie. Sie müssen
nicht laut sprechen, wenn Sie klar artikulieren. Und Sie wirken
menschlich, wenn Sie beim Applaus rot werden.
LÄCHELN, NICHT ZÄHNE ZEIGEN: AUSTAUSCH MIT AUGENMASS
Smalltalk ermöglicht es, sich in harmonischer
Atmosphäre zu
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