Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
nom de dieu , in Gottes Namen, übersetze ich still den mir inzwischen wohlvertrauten Wutschrei dieses deutschsprachigen Belgiers.
Ich schraube schnell die Mineralwasserflasche auf und schicke dem Kaffee einen kühlenden und reinigenden Sprudelstrahl hinterher.
»Katja! Hör auf! Lass mich in Ruhe!«
Er reißt die Stoffserviette vom Tisch. Wenn ich mich nach seinem Rat gerichtet hätte, läge da eine schäbige Papierserviette. Mit der würde er sich nicht so gut abtrocknen können und hinterher hässliche Fuseln auf seiner Hose wegschrubben müssen. Aber das ist jetzt wirklich nicht der Augenblick, ihn diskret an die Pleite seiner eigenen Kneipe zu erinnern, zu der Papierservietten bestimmt auch beigetragen haben. Er hat soeben ein Leben gerettet.
»Wie reden Sie mit Frau Klein?«, empört sich Konrad Meissner und legt mir wieder eine Hand an die Taille.
Marcels Augen verengen sich. Er vergisst seine klatschnasse Hose.
»Wenn Sie die Güte hätten, Frau Klein loszulassen?« Seine Stimme ist gefährlich leise.
»Nur wenn sie es wünscht«, gurrt Konrad Meissner. »Und daran habe ich berechtigte Zweifel, nicht wahr, meine Schöne?«
Ich reiße mich los.
»Schluss mit dem Unsinn. Herr Meissner, Frau Kerschenbach sitzt ganz allein da drüben.«
»Frieda ist gern allein«, erwidert er ungerührt, greift nach meiner Hand und hätte sie an seine Lippen geführt, wenn ich sie ihm nicht unwirsch entzogen hätte. »Was ich von mir nicht behaupten kann, wie Sie sehr wohl wissen, Sie köstliches, widerspenstiges, immens verführerisch rundes Geschöpf.«
Bei seinen letzten Worten habe ich ihm schon den Rücken zugekehrt, aber ein gewaltiges Poltern lässt mich herumwirbeln. Konrad Meissner liegt am Boden und hat bei seinem Niedergang einen Stuhl mitgenommen. Marcel wischt sich angelegentlich die Hose.
Konrad Meissner hebt einen Finger, während er sich aufrappelt. Seine Nase blutet. »Das …«, zischt er Marcel zu, »… werden Sie bereuen!«
»Niemals«, sagt Marcel ruhig.
»Oh doch. Ich werde Sie anzeigen!«
»Wie lautet die Anklage?«
»Sie haben mich geschlagen!«
»Sie sind über Ihre eigenen Beine gestolpert.« Marcel schaut in den Gastraum. »Oder hat jemand was anderes gesehen?«
Alle schütteln den Kopf. Niemand will den Lebensretter des Tages zum Wirtshausschläger degradiert sehen. Allerdings werde ich später mit diesem Helden ein Wörtchen zu reden haben. Wir sind hier nicht in einer Krewinkler Kneipe. Wo es zu den Papierservietten wahrscheinlich Pappbecher gab, um den Schaden in Grenzen zu halten. An Grenzen denkt jetzt auch Konrad Meissner.
»Sie halten sich in belgischer Polizeiuniform in Deutschland auf, Herr Polizeiinspektor!«
Marcel lächelt.
»Jetzt nicht mehr«, sagt er.
Bis zu diesem Augenblick habe ich mir nicht vorstellen können, wie sich ein Mann seine Hose würdevoll ausziehen kann. Marcel schafft dies. Er faltet das feuchte Gebilde ordentlich zusammen, legt es sich über den Arm und marschiert in seinen Boxershorts hoch erhobenen Hauptes in meine Küche.
Applaus brandet auf.
Ich werfe mich auf den Stuhl neben Frieda Kerschenbach.
»Ausnehmend schöne Beine für einen Mann«, bemerkt sie lächelnd.
»Bitte wirken Sie auf ihn ein«, bitte ich sie und meine natürlich nicht Marcel.
»Ist er Ihr Freund?«
»Ja, und schon deshalb soll mich Herr Meissner nicht mehr belästigen.«
»Ich glaube, wir haben jetzt alle andere Sorgen«, sagt sie. »Meinen Sie, der alte Mann kommt durch?«
»Herr Perings«, sage ich betroffen. »Sie haben völlig recht, Frau Kerschenbach, es gibt Wichtigeres.«
»Warum mein Bruder? Weshalb sollte ausgerechnet mein Bruder mit ihm ins Krankenhaus fahren? Er kennt ihn doch gar nicht.«
»Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Bevor er …«
»… vom Stuhl gerutscht ist?«
»Ja. Da hat er nach Ihrem Bruder gefragt. Und gesagt, der muss aus Belgien kommen …«
»Hermann fährt manchmal nach Belgien. Früher wurde er auch da manchen Schrott los. Aber wir kommen aus Buchet.«
»Vielleicht hatte Herr Perings auch mit Schrott zu tun?«
Frieda Kerschenbach hebt die Schultern.
»Ich kenne die Geschäftskontakte meines Bruders nicht. Wahrscheinlich ist es eine Verwechslung.«
»Bestimmt.«
»Was machen wir jetzt mit dem Bus, Frau Klein? Ich meine, ich weiß ja nicht, wie lange es da in Prüm dauert. Wann der Hermann wieder zurück ist. Die Leute wollen doch Kaffee kaufen. Das ganze Programm ist jetzt über den Haufen geworfen. Ohne Busfahrer kann es
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