Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
weißseidenen High Heels, dem Blumenschmuck, weißt du noch, David, sie wollte überall weiße Lilien haben, wie schön. Und dann die tolle Rede, die der Pfarrer May bei der Trauung in der Kirche halten wird.«
»Für Doppelhochzeit«, warf David finster ein.
»Was für eine Doppel …« Ich brach ab. In Gudruns Augen quollen Tränen.
Oh weh. Deshalb also hatte David das Geturtel eingestellt. In der Hoffnung, kein Ehemann werden zu müssen, wenn er sich wie ein solcher verhielt. Gudrun selbst hatte nie auf eine Legalisierung der Beziehung gedrängt, sondern ihr Projekt Eheschließung langfristig angelegt. »Das kriege ich schon hin«, hatte sie mir immer wieder gesagt. »Ich muss nur behutsam vorgehen, dann wird er mir irgendwann schon den Ring geben.« Regines Vorpreschen muss ihr bitter aufgestoßen sein.
David wechselte sofort das Thema.
»Sie wollte sogar, dass Hermanns Schwester später zu uns zieht«, sagte er. »Das fand ich nicht toll. Auch wenn sie uns die Wäsche machen und im Haushalt helfen würde. Wir haben zu allem Nein gesagt, und da ist sie dann …« Er fahndete nach dem richtigen Wort.
»… eingeschnappt«, half ihm Gudrun. »Total mufflig geworden. Und dann war da noch die Sache mit dem Meissner. Ein alter Freund der Familie, hat sie gesagt, so als ob sie schon zu dieser Familie gehörte. Der eklige Typ, der dich angebaggert hat, Katja, der wäre bei uns auch ein und aus gegangen. Regine fand den echt super, stell dir vor.« Sie machte Regines Tonfall nach: »Toll, wenn man in dem Alter noch so fit ist …« Erschrocken hielt sie inne. Die echte Stimme, die kein hohes Alter erreichen durfte, ist für immer verstummt; eine Tatsache, die vermutlich noch nicht richtig zu uns allen durchgedrungen ist.
»Entschuldigt, so meine ich das doch nicht«, flüsterte sie. »Aber …« Hilflos streckte sie die Arme aus und sah Marcel von der Seite an. »Ich finde, der alte Knacker hat so was … Unangenehmes an sich.«
Marcel nickte heftig.
»Also, ich wollte den nicht in meinem Haus haben«, schloss Gudrun.
»Kann ich verstehen«, sagte ich.
Ich verstand tatsächlich. Nichts wirklich Dramatisches war geschehen, wenn man mal von Gudruns Schwangerschaft und Davids Eheverweigerung absah. Belanglose Irritationen hatten sich aneinandergereiht; Erwartungen waren enttäuscht worden; es hatte Missverständnisse und insensible Äußerungen gegeben, Alltagsfrust und Festtagslaune zur falschen Zeit. Nichts davon hatte ich mitbekommen.
Ich hatte amüsiert Regines Techtelmechtel beobachtet, nicht ahnend, wie ernst es ihr mit Hermann gewesen war. Klar, sie hatte sich für ihn aufgebrezelt, aber ich hatte das als Spielerei einer attraktiven, lebenslustigen Frau in einem männerarmen Umfeld gesehen. Regine war für mich eine autarke Frau gewesen, die sich einen kleinen Flirt geleistet, aber nicht wirklich eine Bindung gesucht hatte. Was Gudrun natürlich nie verstehen würde.
Meines Wissens hatten Regine und Hermann nicht einmal eine einzige Nacht miteinander verbracht. Auf der Kehr bestimmt nicht, das wäre mir nicht entgangen. Oder doch? Vielleicht gab es ein Liebesnest in Buchet? Mit der Schwester im Haus? Keine Ahnung. Wer ist dieser Hermann überhaupt? Ein Mittfünfziger, der bei seiner älteren Schwester lebt, muss doch eine Geschichte haben. War er mal verheiratet?
Weshalb nur habe ich mich nicht interessierter gezeigt? Hätte ich den Mord in meinem Haus verhindern können, wenn ich ein bisschen aufmerksamer gewesen wäre? Mehr Anteil am Leben meiner Freunde genommen hätte? Ich hatte mich für dieses Eifelleben doch entschieden, weil ich mit Freunden zusammenleben und -arbeiten wollte. Was ist denn von diesem schönen Traum übrig geblieben?
Alles ist an mir vorbeigegangen. Der Frust, den Gudrun angesichts von Regines Plänen und David angesichts des von ihm Geforderten geschoben hatten. Doppelhochzeit. Mich hat das Wort auch erschreckt.
»Warum habt ihr denn nicht einfach vernünftig miteinander geredet?«, fragte ich, sehr bemüht, nicht nur meine Fassungslosigkeit zu verbergen, sondern auch meine eigene Schuld.
»Worüber?«, fragte Gudrun erstaunt.
»Das hätte doch nichts geändert«, sagte David.
»Nein«, sagte Gudrun. »Gar nichts. Ich bekomme nur ein uneheliches Kind. Das ist heute gar nicht mehr schlimm.«
Marcel erhob sich. »Schlimm wäre, wenn Erwin heute Nacht hungern müsste. Wolltest du ihm nicht noch einen Teller parat machen, Gudrun?«
Ich ging zusammen mit ihr in die
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