Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Küche.
»Übrigens war ich ein glückliches uneheliches Kind«, sagte ich, als ich den Blutwurst-Käse-Salat aus dem Kühlschrank nahm und eine großzügige Portion auf einen Teller gab. »Und du stehst ja nicht allein da wie damals meine Mutter mit mir.«
Gudrun riss die Schere vom Haken. »Aber so richtig normal bist du dadurch auch nicht gerade geworden.«
Aufgebracht schnipselte sie Petersilien- und Schnittlauchelemente über die Komposition.
Ich hütete mich, ihr zu widersprechen.
»Regine war auch eine alleinerziehende Mutter«, sagte ich sanft, »und schau nur, wie prächtig sich Daniel entwickelt hat.«
»Stimmt. Er ist ein toller Junge, ganz der Vater.« Gudruns Stimme klang sehr viel versöhnlicher. Schließlich hat sie ihr Liebesglück durchaus der Tatsache zu verdanken, dass David nicht mit der Mutter seines bisher einzigen Kindes verheiratet gewesen war.
Immer noch glitzerten Tränen in ihren Augen. Sie schnäuzte sich kräftig. »Was meinst du, Katja, wenn sich Daniel auf ein Geschwisterchen freuen kann, kommt er vielleicht besser über den Tod seiner Mutter hinweg, oder nicht?«
Ich nahm sie in den Arm.
»Bestimmt«, sagte ich, erfreut, dass meine Meinung endlich wieder gefragt war.
Marcel stand schon im Flur, als ich ihm den Teller überreichte.
»Ich werde durch die Hintertür in dein dunkles Haus huschen. Jetzt wäre wohl so etwa die Zeit, wo der Täter auftauchen könnte.« Leise setzte er hinzu: »Wenn es denn jemand Fremdes war …«
»Was ist mit der Presse? Warum ist von denen noch keiner aufgetaucht?«
»Nachrichtensperre.«
»Meinst du nicht, dass irgendjemand denen gesteckt hat, was hier am frühen Abend vorgegangen ist? Immerhin hat sich hier ja eine umfängliche Abordnung der belgischen Staatsmacht breitgemacht.«
»Nachrichtensperre.«
»Damit geben die sich zufrieden?«
»Die wollen ja Informationen von uns «, sagte er und nahm mir den Teller ab. »Wenn sie sich eine Geschichte aus den Fingern ziehen, kriegen sie später gar nichts von uns und sehen in ihren Redaktionen ganz schön alt aus. Wer weiß, vielleicht können wir ihnen ja morgen den Täter schon präsentieren. Ich lege mich jetzt auf die Lauer.«
»Aber wenn der Typ euren Polizeijeep sieht …«
»Wird er nicht, keine Sorge.« Marcel hauchte mir einen Kuss auf den Scheitel und sprach in den Gastraum hinein: »Dir ist wohl klar, dass du heute nicht in deinem Haus schlafen kannst?«
»Hatte ich bestimmt nicht vor.«
»Oh ja! Schlaf bitte bei uns!«, rief Gudrun. »Je mehr, desto sicherer. Wir haben jetzt ja Platz.«
In Regines Zimmer. Da würde ich kein Auge zukriegen können. Ich erklärte, jedes vorsorglich bereitgelegte Staubsaugerrohr garantiere größere Sicherheit als meine Gegenwart. Lieber wollte ich in der Einkehr bleiben und mich dort in ein bereits gemachtes Bett legen.
»Jakob ist ja bei seinem Nellchen«, sagte ich.
»Meinst du, die beiden werden heiraten?«, fragte Gudrun, als sich die Tür hinter Marcel geschlossen hatte.
Sie kann es nicht lassen, denke ich, während ich jetzt in meine Jeans schlüpfe. Wie hat es David nur geschafft, dem in Gudruns Lebenswelt längst überfälligen Heiratsantrag auszuweichen? Dem weder ihre Schwangerschaft noch Regines Drängen auf eine Doppelhochzeit auf die Sprünge hatte helfen können.
Wenn es denn jemand Fremdes war … Marcel wird doch nicht allen Ernstes glauben, dass David vor Wut über das hässliche Wort zugeschlagen hat? Oder Gudrun in ihrer Verzweiflung? Oder ich, weil mir danach war? Oder Hein, weil ihm Regines Haarfarbe nicht passte? Da könnte er gleich Jakob Perings verdächtigen, der vielleicht eine Gedenkminute an seinen Bruder in meinem Haus verbracht hat, dabei von Regine gestört worden war und in kurzzeitiger geistiger Umnachtung zugeschlagen hatte, um seinen Bruder doch noch zu retten. Oder Petronella Schröder, die womöglich im Kehricht nach ihrem Medaillon gefahndet hatte. Ich leiste mir einen furchtbaren Gedanken: Wenn der Täter schon aus unserem Umfeld stammt, dann soll es bitte schön Konrad Meissner sein. Das würde mein Weltbild am wenigsten ins Wanken bringen. Ich muss nur noch eine vernünftige Begründung dafür finden, was der Mann mit Regine in meinem Haus zu suchen gehabt haben könnte. Vielleicht ein Schäferstündchen, gegen das sie sich zur Wehr gesetzt hat?
»Nein!«, schreie ich, als Linus auf das Bett springt. »Wenn Jakob wiederkommt, will der keine Hundehaare auf dem Laken. Runter!«
Die Bettfedern
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