Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
als ich mir im Schlafzimmer frische Kleidung holen will.
»Geh da jetzt nicht rein.«
»Keine Sorge; ich werde Erwins Schlaf schon nicht stören«, erwidere ich süffisant.
»Ich leg mich wieder aufs Sofa«, höre ich Erwins Stimme plötzlich hinter mir. »Guten Morgen, Katja. Der Kaffee ist fertig. Tschüss, bis nachher.«
Verblüfft wickele ich den roten Bademantel fester um meinen Leib. Aber Erwin ist bereits im Wohnzimmer verschwunden.
»Siehst du«, sagt Marcel, »so ist die belgische Polizei. Zu jeder Zeit für den Dienst am Bürger bereit.«
»Warum darf ich nicht in mein Schlafzimmer?«
»Erkläre ich dir gleich. Erst Kaffee trinken.«
»Habt ihr ihn tatsächlich festgenommen?«, flüstere ich.
» Mais nee, er schläft nur seinen Rausch aus.«
»Wer? Welchen Rausch?« Ich stürze in die Küche. Ich verstehe nichts mehr und brauche jetzt unbedingt Koffein, um einen klaren Kopf zu kriegen.
Auf meinem Küchentisch dampfen zwei Becher Kaffee. Zwischen ihnen steht eine leere Flasche Whisky.
»Das ist nicht wahr!«, rufe ich empört. »Meine letzte Flasche Single Malt! Ihr solltet euch nicht besaufen, sondern Wache halten!«
Ich habe mir zu Recht Sorgen gemacht. Der Mörder hätte meinem Freund und seinem Kollegen nach diesem Exzess mühelos die Birne einschlagen können.
»Erwin hat gar nichts getrunken. Und ich nur ein kleines Glas. Zur Gesellschaft«, sagt Marcel gelassen.
»Was für eine Gesellschaft?«
»Hermann. Der ist gestern Nacht noch vorbeigekommen. Hast du seine Kamionette vor der Tür denn nicht gesehen?«
»Wie denn? Hermann …«
Meine Stimme verliert sich und mündet dann in ungläubiges Gekrächze: »Hermann wollte die Leiche abholen?«
»Nein, natürlich nicht. Der wusste doch, dass Regine in Lüttich ist«, sagt Marcel begütigend. »Ich habe gestern Nacht mit ihm telefoniert. Er hat es allein zu Hause nicht mehr ausgehalten. Der war völlig mit den Nerven am Ende. Seine Schwester ist ja im Krankenhaus. Hab ihm gesagt, er soll bis bei uns kommen, wenn er sich bei dem Wetter riskiert zu fahren.«
Jetzt wird mir alles klar. Sehr praktisch für die belgische Polizei, wenn sich einer der deutschen Verdächtigen freiwillig auf ihr Hoheitsgebiet begibt. Das erspart eine Anfrage bei den deutschen Kollegen. Ich trinke meinen Kaffee in einem Zug aus, stehe auf und bereite einen neuen vor.
»Das ist eine Schweinerei«, sage ich aus tiefstem Herzen. »Und bestimmt nicht in Einklang mit dem Salduz-Gesetz. Oder durfte Hermann vor deinem Verhör etwa einen Anwalt seiner Wahl anrufen?«
»Katja! Ich habe ihn doch nicht verhört!«
»Was hast du dann mit ihm getan?«
»Nur mit ihm gesprochen. Der Mann steht unter Schock. Ich habe versucht, ihn irgendwie zu trösten. Er musste sich eine Menge von der Seele reden.«
»Und du hast brav zugehört und Fragen gestellt?«
Marcel nickt.
»Natürlich. So wie es unter Freunden üblich ist. Da hilft man, wo man kann.«
»Die Polizei, dein Freund und Helfer.« Ich knalle meinen gefüllten Kaffeebecher auf den Tisch. »Dann erzähl mir doch, was er dir so alles von seiner Seele geredet hat.«
Marcel kratzt sich am Kopf.
»So wie es unter Freunden üblich ist!«, ermuntere ich ihn. »Wenn du das Gespräch allerdings in eine eurer Vernehmungskategorien eingeordnet hast, musst du natürlich schweigen. Im Gegensatz zu mir, wenn ich vor Gericht aussage, wie du deine Erkenntnisse aus einem hilflos besoffen gemachten Opfer belgischer Polizeigewalt herausgepresst hast!«
Ich halte ihm die leere Whiskyflasche unter die Nase und stelle sie dann unter den Tisch.
»Krieg ich keinen zweiten Kaffee?«, fragt er ungerührt.
»Mach ihn dir gefälligst selbst.«
Er bereitet gleich eine ganze Kanne zu. Als wir die leer getrunken haben und eine bleiche Wintersonne müde Strahlen in die Küche sendet, weiß ich eine Menge mehr.
Marcel hat erstaunlich bereitwillig und ausführlich Auskunft gegeben; ein Zeichen, dass er sich seiner Sache nicht ganz sicher ist. Ich kenne ihn. Er hat das Gefühl, irgendetwas stimme nicht, kann aber dafür keinen offensichtlichen Grund anführen.
»Natürlich verdächtige ich den armen Hermann nicht«, beendet er seine Ausführungen. »Er hat Regine wirklich sehr geliebt. Sie war seine Traumfrau, aber …«
»Aber?«, hake ich nach.
»Genau das ist vielleicht das Problem. Wenn zum Beispiel die Traumfrau plötzlich keine mehr sein will …«
»Regine hat sich auf die Hochzeit gefreut«, werfe ich ein.
»Das wissen wir auch von
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