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Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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gewonnen hatten.
    Der Himmel ist so schwarz wie der neue Stoff an den Busfenstern. Erste dicke Flocken fallen schon. Gut, dass ich diesmal nicht unterwegs bin. Ich will die Haustür gerade wieder zuziehen, als mich ein Geräusch aufschreckt. Die Tür von Hermanns Setra öffnet sich knarzend.
    »Wer ist da?«, frage ich scharf.
    »Ganz ruhig, Katja.« Marcel springt aus dem Bus. »Nur ich.«
    »Was machst du da?«
    »Warm bleiben. Während ich alle verscheuche, die dir zu nahe kommen wollen.«
    »Wie damals Herrn Meissner?«
    Kurzes Lachen. »Der wird dir so schnell nicht wieder auf die Pelle rücken! Nein, die Presse und alle anderen, die auf dich, das Haus und die ganze Geschichte neugierig sind, sich eben hier den Vorwitz holen kommen wollen.«
    »Warum bist du nicht in Sankt Vith? Nach allem, was passiert ist …«
    »Es ist manchmal sehr gut, nur ein kleiner Polizeiinspektor zu sein«, sagt er. »Ich liebe meine Freiheit. Das Wesentliche habe ich hier zu Protokoll gegeben. Und jetzt machen andere die wichtige Arbeit. Die Verhöre werden bestimmt die halbe Nacht dauern. Mindestens fünf Straftaten, darunter Kapitalverbrechen, das ist schon was.«
    »Aber deinen Bericht schreiben …«
    »Das kann ich morgen auch noch. Wie geht es Daniel?«
    »Er hält sich wacker. Aber er will nicht rüber.«
    »Ist auch besser so. Halt ihn von der Presse fern. Der hat genug mit seiner Trauer zu tun. Und mit seiner Wut.«
    »Er ist nicht wütend.«
    »Ja«, sagt Marcel. »Er hat für jede Kreatur Verständnis. Ein erstaunlicher Junge. Geh wieder rein, Katja, sonst kriegst du noch kalt hier. Aber einen schönen starken Kaffee, den kannst du mir gern herbringen.«
    »Whisky auch?«, frage ich.
    »Nein. Ich bin im Dienst.«
    »Ich denke, du hast frei?«
    »Im Dienst für meine wunderschöne, kluge und aufmerksame Frau. Ohne deine Hinweise …«
    »Schon gut. Du kriegst deinen Kaffee.«
    Daniel nickt dankbar, als ich ihm sage, dass wir im Haus bleiben können und uns Marcel draußen vor der Tür unliebsame Besucher vom Hals hält. Er will keinen Kaffee, aber er hat Hunger.
    Darauf bin ich nicht vorbereitet.
    »Ich esse immer im Restaurant. Hier habe ich nichts.«
    »Gar nichts?«, fragt er. »Muss ja nicht was Umständliches sein. Vielleicht eine Scheibe Brot?«
    »Ist nur uraltes hier. In der Melkküche.«
    Übrig gebliebenes Brot hat Regine immer für Nicolina abgezweigt.
    »Dann machen wir daraus arme Ritter«, erklärt Daniel. »Ganz besonders arme Ritter.«
    So arm nun auch nicht, denke ich, als ich mit ihm in der Melkküche stehe und auf dem Gänsefutterregal Karotten, Äpfel, Haferflocken und sogar zwei Eier vorfinde.
    Ich habe schon lange nichts mehr in meiner Privatküche gekocht, aber die Schränke geben doch noch ein paar Basics her. Zucker wird nicht schlecht, das Olivenöl ist in Ordnung, und die getrockneten Gewürze riechen nicht muffig. Ich setze meinen Ehrgeiz daran, aus dem, was da ist, eine ordentliche Mahlzeit hinzukriegen; arme Ritter mit Zutaten aus dem Speiseplan unserer Nicolina, der Grenzgans, wie Marcel sie mal genannt hat.
    Gestern hätte ich mir nicht vorstellen können, in diesem Bruchsteinhaus jemals wieder am Herd zu stehen, auf der anderen Seite jener schicksalsschweren Wand. Ich hatte nur noch herkommen wollen, um vor meiner geplanten Flucht aus der mörderischen Eifel meine Siebensachen zu packen.
    »Auf diesem Haus liegt ein Fluch«, murmele ich, während ich die Karotten reibe.
    »Nein, Katja«, sagt Daniel. »Das Haus kann nichts dafür. Es ist aus Stein. Der Fluch, der kommt von den Menschen.«
    Von Jakob Perings’ Mutter zum Beispiel. Die sich schwer an einem Mädchen versündigt hat. Das einmal Elisabeth hieß, für mich aber Frieda bleiben wird.
    Es war so, wie Jakob gesagt hatte: Anfang der Fünfzigerjahre hatte seine Mutter die Elfjährige aus dem Waisenhaus geholt. Sie kannte kein anderes Zuhause, konnte sich nicht an die Eltern erinnern, die acht Jahre zuvor auf der Straße nach Malmedy von einer Bombe aus einem alliierten Tiefflieger getroffen worden waren.
    »Im Heim habe ich immer von einer Familie geträumt«, sagte sie vorhin zu Jakob. »Und dann kam deine Mutter. Nach zwei Söhnen will sie eine Tochter, hat sie gesagt und war vor den Nonnen ganz lieb zu mir. Ich war glücklich. Dass ich endlich in eine richtige Familie komme.«
    »Für uns warst du das Mädchen«, sagte Jakob verwundert. »Das Hausmädchen. Hast du denn keinen Lohn bekommen?«
    »Ich war elf!«, fuhr sie ihn an.

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