Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Einen Mann, den Gerd und ich erschlagen haben. Deshalb musste sie sterben. Gott hat mich gestraft. Mir das Liebste genommen.«
»Es ist noch Ei übrig«, sagt Daniel, nachdem ich ein Dutzend handtellergroßer Plätzchen durch die Eiermasse gezogen und im Hafer-Zucker-Gemisch gewälzt habe.
»Dann mach dir doch schon mal ein kleines Omelett gegen den ärgsten Hunger«, schlage ich vor und deute auf die kleine gusseiserne Pfanne, die über dem Herd hängt. »Gibt leider nur Olivenöl zum Anbraten.«
Er nimmt sie vom Haken und wiegt sie in den Händen. »Ganz schön schwer«, sagt er und holt mit der Pfanne wie zum Schlag aus. »Könnte ein kleines Kind die überhaupt halten? Ist das möglich?«
Ich bin überfordert. Daniel will nicht wirklich über den Tod von Siegfried Perings reden. Sondern über alles, was wir jetzt vom Mord an seiner Mutter wissen. Aber er kann es nicht. Findet dafür ebenso wenig Worte wie Hermann vorhin, als Frieda seine wahre Identität enthüllt hatte.
Ich kann nur ahnen, was in Daniel vorgeht. Und auch das nur im Ansatz. Ich war selbst zu sehr wie vom Donner gerührt, als ich so ganz nebenbei erfuhr, dass meine Mutter eine Schwester gehabt haben soll. Die mit Konrad Meissner verheiratet gewesen ist. Ihr seid hier doch alle miteinander verwandt . Ich bin das offenbar auch. Ich stamme von hier.
»Eine halbe Stunde sollte reichen«, sage ich, als ich das Blech mit den Plätzchen in den Ofen schiebe. »Schade, dass ich hier keine Mandelsplitter habe.«
Das Öl in der Pfanne zischt, als Daniel die restliche Eimasse hineinkippt.
»Hätte Frieda meine Mutter am Leben gelassen, wenn sie gewusst hätte, dass in Belgien Mord nach fünfzehn Jahren verjährt ist?«, fragt Daniel. »Und jetzt sag bitte nicht, dass es doch die Kinder waren.«
»Nein.« Ich schließe die Ofenklappe mit einem Knall. »Wenn sie Siegfried Perings umgebracht hat, wäre es kein Mord gewesen, sondern Notwehr mit Todesfolge. Da hätte sie nichts zu befürchten gehabt. Und der Raub der Briefträgertasche ist auch schon längst verjährt. Es ging ihr nie um Siegfried Perings’ Tod, sondern um ihr jetziges Leben und das von Hermann. Sie konnte nicht zulassen, dass alles herauskommt. Sie hatte sich etwas aufgebaut, eine Geschichte erfunden, die sie ihre und Hermanns Vergangenheit nannte und die alle glaubten; sie selbst irgendwann wahrscheinlich auch. Sie wird von den Leuten respektiert. Vielleicht war es nicht ganz das Leben, das sie sich als Kind von der Dachluke im Haus der Perings’ aus erträumt hatte, aber nach dem üblen Start war es wohl mehr als okay. Und dann kam deine Mutter und verlangte Aufklärung.«
Regine telefonierte mit Frieda am Morgen des Tages, dessen Ende sie nicht mehr erleben sollte. Sie sagte der Frau, dass sie dringend mit ihr reden müsse, und zwar an einem ganz bestimmten Ort. Sie würde sie gegen elf in Buchet abholen.
Frieda war unbehaglich zumute, aber sie stimmte zu. Regine klang sehr aufgeregt.
Sie fuhren mit Heins Wagen auf die Kehr. In meinem Wohnzimmer forderte Regine von Frieda eine Erklärung. Was sei an dieser Stelle vor vielen Jahren geschehen? Sie könne nicht länger ertragen, dass sich Hermann mit so schrecklichen Träumen abquäle. Waren es wirklich nur Träume? Oder doch tatsächliche Erinnerungen? Schließlich habe man die Knochen eines Menschen in genau diesem Loch gefunden. Da müsse es doch einen Zusammenhang geben.
Regine wurde immer wütender und resoluter. Sie habe Erkundigungen eingezogen und Widersprüche gefunden, sagte sie. Dass Frieda und Hermann nicht aus Radevormwald stammten, zum Beispiel, und dass nirgendwo etwas über einen tödlichen Verkehrsunfall von einem Ehepaar Kerschenbach kurz nach Hermanns Geburt zu finden sei. Wieso sei Hermanns Geburtsurkunde gefälscht worden? Frieda habe jetzt alle Zeit der Welt, ihr zu erklären, was hinter dem Trauma stecke, das Hermanns Gegenwart und ihre gemeinsame Zukunft vergälle. Raus mit der Wahrheit!
Frieda wies darauf hin, dass ich jederzeit hereinspazieren könne. Nein, sagte Regine, Katja übernachtet in Cochem. Niemand wird herkommen. Wir sind ungestört. Bis morgen Mittag, wenn es denn sein muss.
Sie standen vor dem Loch in der Wand.
Ich brauche Antworten!, schrie Regine.
Und da packte Frieda sie am Kragen. Riss ihr dabei die Bluse auf und sah das Medaillon. Jenes Schmuckstück, das sie, wie alle anderen Wertsachen auch, der Tasche des Briefträgers entnommen hatte und das sie, die nie in ihrem Leben etwas aus
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