Knochenbrecher (German Edition)
Metalldetektor eingesetzt. Das Bankgeheimnis, das längst keins mehr ist, hat uns auch nicht geholfen. So, wie es aussieht, hat die gar kein Konto gehabt. Noch dazu hat sich bislang keine Menschenseele für das Hexenhaus interessiert.«
»Aber irgendwo muss sie ihr Geld ja gebunkert haben.«
»Peter wird es schon auftreiben. Ausgegeben hat sie es bestimmt nicht, und der Mörder kann es auch nicht haben. Selbst in großen Scheinen hätte er es in einem Koffer oder Rucksack tragen müssen.«
»Dann bleibt das Geld ein mögliches Motiv?«
»Und was für eins.«
Greven stand auf und wechselte die CD. Lovano hatte Monk abgearbeitet und musste Xhol Caravan weichen, deren Konzert in Altena von 1970 erst jüngst auf einem kleinen Label erschienen war, das sich auf progressive deutsche Bands spezialisiert hatte. Trotz des Alters klang die Band frisch und nicht nach mellotronschwerem, mühsam komponiertem Krautrock. Greven bedauerte, sie nie live gesehen zu haben. Als die beiden Bläser davonzogen, war Mona ganz in ihr Bild eingetaucht. Es war besser, sie nun nicht mehr zu stören. Eine unbestimmte Zeit lang beobachtete er ihre rechte Hand, die immer wieder neben der Leinwand auftauchte, um den Pinsel zu wechseln. Den Zonenzyklus wollte Mona in einer Weihnachtsausstellung in Oldenburg zeigen, die die jährliche Konsumwut konterkarieren sollte. Greven legte ein zweites Mal an diesem Tag die Beine auf eine Couch, diesmal jedoch nicht wegen seiner Leber, sondern um nachträglich ins Konzert zu gehen. Die Orgel nahm ihn mit in vergangene psychedelische Sphären, die heute kaum noch von Musikern besucht wurden.
Während er sich mit geschlossenen Augen unter das Publikum mischte, tauchte Sven Rogall auf dem Podium auf, um Streichholzbriefchen in die Luft zu werfen. Greven drängte ihn zwar von der imaginierten Bühne, denn er wollte mit der Musik allein sein, doch die Streichholzbriefchen hatten sich irgendwie in seinem Kopf festgesetzt. Greven ließ sie schließlich gewähren. Wie in Zeitlupe flog eines nach dem anderen zu den wilden Improvisationen des Organisten durch die Luft und landete in griffbereiten Händen oder auf dem Boden. Ein Briefchen, das eine besonders ausgeprägte Kurve in den Raum zeichnete, wurde von einer drahtigen Person mit schwarzen Jeans, blauer Windjacke und Pudelmütze gefangen, die sich sofort umdrehte und mit ihrer Beute davonlief. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen, dafür aber ihr Ziel, denn das Konzert fand am Deich statt, auf dem das Hexenhaus mit den zwei Giebeln stand. Dort wurde der Unbekannte bereits von Sven erwartet, der ihm den Weg zum seitlichen Hintereingang wies. Der sportliche Überbringer der Briefbotschaft hätte ihn sonst verfehlt. Als er die Tür öffnete, war Sven verschwunden und erschien auch nicht wieder auf der Bühne, die nun ganz der Band gehörte.
Nachdem die endlos scheinenden Improvisationen mit einem kräftigen Applaus belohnt worden waren, ging Greven in den Flur und zog aus einer Seitentasche das Streichholzbriefchen, mit dem Manfred Garrelt nichts hatte anfangen können. Wie das am Tatort gefundene trug es eine gestempelte Nummer: 110. Abgesehen davon schien es sich nicht von anderen Streichholzbriefchen mit aufgedruckter Werbung zu unterscheiden. Nur die Nummerierung machte aus jedem ein Original, machte es einmalig. Zu nichts anderem dienten die fortlaufenden Nummern, abgesehen von der Botschaft, dass die Anzahl limitiert war. Greven spreizte die beiden Streichholzreihen und fragte sich, wie die Briefchen ihren Stempel erhalten hatten, der sich innen auf der Lasche befand. Gerade hatte er die Spur eines Gedankens aufgenommen und sich mit den Zahlen selbst befasst, als Mona im Flur erschien.
»Was machst du denn hier?«, fragte sie.
»Mir ist da eine Idee gekommen«, antwortete Greven und jonglierte das Briefchen zwischen den Fingern.
»Mir auch«, entgegnete sie, »das Trimmrad braucht dringend Bewegung. Außerdem fördert Fahrradfahren die Durchblutung. Ideal, um Ideen nachzujagen. So, ich muss jetzt unter die Dusche. Bin ganz voller Farbe.«
10
Ungewohnt ausgeschlafen machte sich Greven am nächsten Morgen auf den Weg nach Greetsiel. Monas Kur schien erste Folgen zu haben. Er wollte sich noch einmal den Tatort ansehen, den alten Ysker befragen und sich dann mittags mit Häring, Jaspers und Ackermann treffen.
Vor dem Hexenhaus marschierte gelangweilt ein ihm unbekannter Beamter in Uniform auf und ab, der ihn erst passieren ließ, nachdem er
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