Knochenbruch
und seine Lederhandschuhe waren sauber und hellgelb. Er glich mehr einer Anzeige in Country Life als einem berufsmäßigen Rennreiter.
»Ich muß erst rein und mich umziehen«, sagte ich. »Sie können anfangen, wenn ich wiederkomme.«
»Gut.«
Wieder wartete er in seinem Wagen und tauchte sofort daraus auf, als ich aus dem Haus kam. Mit einer ruckartigen Kopfbewegung bedeutete ich ihm, mir zu folgen, und ging ihm voran in den Hof hinunter, während ich mich fragte, was für einen Wirbel ich wohl mit Etty erleben würde.
Sie war in einer Box in Stallgasse drei und half einem sehr kleinen Pfleger, eine Einsdreiundsiebzig-Stute zu satteln, und mit Alessandro auf den Fersen ging ich hinüber, um mit ihr zu reden. Sie kam aus der Box und warf Alessandro einen ausgiebigen, neugierigen Blick zu.
»Etty«, sagte ich sachlich. »Das ist Alessandro Rivera. Er hat den Ausbildungsvertrag unterzeichnet. Er fängt heute an. Ähm, genau jetzt, meine ich. Was können wir ihm zum Reiten geben?«
Etty räusperte sich. »Sagten Sie, Sie hätten ihn in die Lehre genommen?«
»Eben das.«
»Aber wir brauchen keine Leute mehr«, protestierte sie.
»Er braucht sich auch nicht um zwei Pferde zu kümmern wie die anderen. Er macht nur Reittraining.«
Sie warf mir einen verblüfften Blick zu. »Alle Lehrlinge versorgen zwei Pferde.«
»Dieser nicht«, sagte ich energisch. »Wie steht’s mit einem Pferd für ihn?«
Ziemlich verwirrt versuchte sie nun, ihre Aufmerksamkeit auf das unmittelbar anstehende Problem zu richten.
»Da wäre Indigo«, sagte sie zweifelnd. »Ich habe ihn für mich selbst satteln lassen.«
»Indigo ist genau richtig«, nickte ich. Indigo war ein ruhiger, zehnjähriger Wallach, den Etty oft als Führpferd für die Zweijährigen ritt und auf dem sie vollkommen untrainierten Lehrlingen gern ihre ersten Reitstunden gab. Ich unterdrückte den Drang, Alessandro bloßzustellen, indem ich ihn auf etwas wirklich Schwieriges setzte; konnte es nicht riskieren, teures Eigentum zu beschädigen.
»Miss Craig ist die Futtermeisterin«, sagte ich zu Alessandro. »Und Sie werden Ihre Anweisungen von ihr bekommen.«
Er warf ihr einen schwarzen, unergründlichen Blick zu, den sie unsicher erwiderte.
»Ich zeige ihm, wo Indigo steht«, beruhigte ich sie. »Außerdem auch die Sattelkammer und so weiter.«
»Ich habe Ihnen für heute morgen Cloud Cuckoo-land zugeteilt, Mr. Neil«, sagte sie zögernd. »Jock hat ihn sicher schon fertig.«
Ich zeigte Alessandro die Sattelkammer und die Futterkammer und erklärte ihm den allgemeinen Grundriß des Stalls, bevor ich ihn zur Einfahrt zurückbrachte.
»Ich nehme keine Befehle von einer Frau entgegen«, sagte er.
»Werden Sie wohl müssen«, erwiderte ich ohne Betonung.
»Nein.«
»Dann auf Wiedersehen.«
Kochend vor Wut blieb er einen Schritt hinter mir zurück, folgte mir aber bis zu den Außenboxen und drehte nicht zu seinem Wagen ab. Indigos Box lag neben der von Moonrock, und er stand mit Sattel und Zaumzeug geduldig da, hatte sein Gewicht auf ein Bein verlagert und sah träge zu, wie ich seine Tür entriegelte.
Alessandros Blick überflog ihn von vorn bis achtern, bevor er sich mit unverhohlenem Ärger zu mir umdrehte.
»Ich reite keine alten Klepper. Ich wünsche Archangel zu reiten.«
»Niemand läßt einen Diamantschleiferlehrling mit dem Kohinoor anfangen«, sagte ich.
»Ich kann jedes Rennpferd auf der Welt reiten. Ich reite außerordentlich gut.«
»Dann beweisen Sie’s auf Indigo, und ich gebe Ihnen etwas Besseres fürs zweite Lot.«
Er kniff die Lippen zusammen. Ich betrachtete ihn mit dem vollkommenen Mangel an Gefühl, der bei Geschäftsverhandlungen immer die Wogen glättet; und nach ein oder zwei Sekunden funktionierte es bei ihm genauso. Sein Blick löste sich von meinem Gesicht, er zuckte mit den Schultern, ich nahm Indigo das Stallhalfter ab und führte ihn aus seiner Box. Alessandro sprang mühelos in den Sattel, ließ seine Füße in die Steigbügel gleiten und griff nach den Zügeln. Seine Bewegungen waren präzise und ungeziert, und er ließ sich auf dem Rücken des alten Indigo nieder, als wäre er da zu Hause. Ohne ein weiteres Wort ritt er den Hof hinunter und schnallte währenddessen die Bügelriemen kürzer, denn Etty ritt lang.
Den Blick auf seine Kehrseite geheftet, folgte ich ihm auf dem Fuß, während die Pfleger aus allen Stallgassen die Pferde zum ersten Lot herausbrachten. Unten im Trabring kreisten sie auf der äußeren
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