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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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bestens zurecht, aber der Wallach war ja auch ein anspruchsloser alter Bursche, der nicht einmal die Fähigkeit des Pony Clubs überstrapaziert hätte. Immerhin hielt er sich gut im Sattel und hatte eine ruhige Hand. »He, du«, sagte Etty und zeigte mit der Peitsche auf ihn. »Komm hier herüber.«
    Zu mir sagte sie, während sie sich von Lucky Lindsay heruntergleiten ließ: »Wie war noch sein Name?«
    »Alessandro.«
    »Aless…? Viel zu lang.«
    Indigo wurde neben ihr zum Stehen gebracht. »Du da, Alex«, sagte sie. »Spring runter und halte dieses Pferd.«
    Ich dachte, er würde explodieren. Sein wütendes Gesicht sagte deutlich, daß niemand das Recht hatte, ihn Alex zu nennen, und daß niemand, aber auch gar niemand, ihn herumzukommandieren hatte. Vor allem keine Frau.
    Er sah, daß ich ihn beobachtete, und plötzlich war aller Ausdruck aus seinem Gesicht verschwunden, wie von einem Schwamm weggewischt. Er schüttelte seine Füße aus den Bügeln, schwang ein Bein behende nach vorn über Indigos Widerrist und ließ sich mit dem Gesicht zu uns gewandt zu Boden gleiten. Dann ergriff er die Zügel von Lucky Lindsay, die Etty ihm hinhielt, und gab ihr die von Indigo. Sie verlängerte die Bügelriemen, stieg in den Sattel und ritt kommentarlos davon, um die sechs Zweijährigen, die wir mitgebracht hatten, zu führen.
    Wie ein Vulkan vor dem Ausbruch sagte Alessandro nun: »Ich werde keine Befehle mehr von dieser Frau entgegennehmen.«
    »Stellen Sie sich nicht so verdammt blöd an«, sagte ich.
    Er blickte zu mir auf. Der feine Regen hatte sein schwarzes Haar durchnäßt, so daß die Locken jetzt in Wellen an seinem Kopf klebten. Mit der arroganten Nase, dem zurückgelegten Schädel und dem dichten Haar sah er aus wie eine zum Leben erweckte römische Statue.
    »Sprechen Sie nicht so mit mir. Niemand spricht so mit mir.«
    Cloud Cuckoo-land stand mit aufgestellten Ohren geduldig da und sah einigen Möwen zu, die über die Heide flogen.
    Ich sagte: »Sie sind hier, weil Sie es so wollen. Niemand hat Sie gebeten zu kommen, und niemand wird Sie davon abhalten, wieder zu gehen. Aber solange Sie hierbleiben, werden Sie tun, was Miss Craig sagt, und Sie werden tun, was ich sage, und zwar ohne Widerrede. Ist das klar?«
    »Mein Vater wird nicht zulassen, daß Sie mich so behandeln.«
     
    Sein Zorn war so gewaltig, daß er am ganzen Körper erstarrt war.
    »Ihr Vater«, sagte ich kalt, »muß ja überglücklich sein, einen Sohn zu haben, der es nötig hat, sich hinter seinen Rockschößen zu verstecken.«
    »Das wird Ihnen noch leid tun«, drohte er zornig.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ihr Vater sagte, ich sollte Ihnen gute Pferde bei den Rennen geben. Es war nicht die Rede davon, daß ich vor einem verwöhnten, kleinen Halbgott in die Knie gehen soll.«
    »Ich werde ihm sagen …«
    »Sagen Sie ihm, was Sie wollen. Aber je öfter Sie zu ihm laufen, um so weniger werde ich von Ihnen halten.«
    »Es ist mir egal, was Sie von mir halten«, sagte er heftig.
    »Sie sind ein Lügner«, erwiderte ich ausdruckslos, und er warf mir einen langen, schmallippigen Blick zu, bis er sich abrupt abwandte. Er führte Lucky Lindsay zehn Schritte weg und blieb dort stehen, um die Kanter zu beobachten, die Etty kurz zuvor eingeteilt hatte. Jeder Quadratzentimeter dieser schlanken Gestalt sprach von verletztem Stolz und flammendem Groll, und ich fragte mich, ob sein Vater wirklich glauben würde, daß ich zu weit gegangen war. Und wenn dem so war, was würde er deswegen unternehmen?
    Mit einem geistigen Achselzucken vertagte ich den Gedanken an mögliche Unannehmlichkeiten bis auf weiteres und versuchte, die jeweiligen Fähigkeiten der Zweijährigen einzuschätzen. Sosehr die Leute mich dafür verspotteten, daß ich die Lizenz meines Vaters übernommen hatte, stellte ich doch fest, daß die in der Kindheit erworbenen Fähigkeiten nach neunzehn Jahren genauso natürlich zurückkehrten wie das Fahrradfahren; und welches einsame Kind konnte schon in einem Rennstall aufwachsen, ohne das Gewerbe von der Mistgabel auf zu erlernen? Ich hatte draußen die Pferde zur Gesellschaft gehabt und drinnen die Möbel, und wenn es mir gelungen war, ein Geschäft aus totem Holz aufzubauen, so nahm ich an, daß ich genausogut versuchen konnte, beim lebendigen Fleisch die Dinge in Gang zu halten. Aber, rief ich mir ins Gedächtnis, nur so lange, wie ich brauchte, um Alessandro loszuwerden.
    Etty kam nach dem Kantern zurück und wechselte noch einmal die

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