Knochenerbe
haben mochte: Es befand sich hier in der Fensterbank.
Jane hatte die Fensterbank aus gutem Grund mit Teppichboden belegen lassen. Niemand sollte in ihr einen Aufbewahrungsort sehen, man sollte denken, es handle sich hier lediglich um eine Raumverzierung, um einen hübschen Stellplatz für eine Topfpflanze, oder ein paar Kissen, oder ein Blumenarrangement. Der Teppichverleger hatte ganze Arbeit geleistet: Den Teppich loszueisen erwies sich als extrem mühevoll. Ich sah Torrance Rideout aus seiner Auffahrt biegen, einen Blick auf Janes Haus werfen und zur Arbeit fahren. Eine attraktive, ein wenig füllige Frau führte einen fetten Dackel bis zum Ende der Straße und wieder zurück. Verärgert durfte ich zusehen, wie sich das Tier in meinem Garten erleichterte. Die Frau kannte ich, wurde mir klar, nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht hatte, während meine Finger an dem rosa Teppich mit den sanften blauen Punkten darin zupften und zerrten. Es handelte sich um Carey Osland, die Frau, die zuerst mit Bubba Sewell, dann mit Mike Oswald verheiratet gewesen war, bis Letzterer sich auf so aufsehenerregend feige Weise abgesetzt hatte. Carey Osland wohnte dann wohl im Eckhaus mit den herrlichen Heckenrosen an der Veranda.
Geduldig zerrte, zupfte und bohrte ich, wobei ich versuchte, keine Spekulationen über den Inhalt der Fensterbank anzustellen. Endlich gelang es mir, den Teppich an einer Ecke so weit zu lösen, dass ich ihn mit beiden Händen packen und energisch ziehen konnte.
Unter dem Teppich tauchte ein Deckel mit Scharnieren auf. Ich hatte also recht gehabt. Warum nur wollte sich kein Triumphgefühl einstellen?
Bubba Sewell hatte gesagt, was immer sich im Haus befände, sei mein Problem.
Ich holte tief Luft, hob den Deckel und linste vorsichtig in den darunterliegenden Hohlraum. Die Sonne schien durchs Fenster und badete den Inhalt in ihrem sanften Morgenglanz. Im Sitz befand sich ein reichlich vergilbter Kissenbezug, darin ein rundliches Objekt.
Entschlossen streckte ich die Hand aus und zupfte vorsichtig an einer Ecke des Kissenbezugs, um den Inhalt nicht unnötig zu bewegen. Letztlich musste ich dann aber doch den Bezug ganz zur Seite ziehen und das Ding, das sich darin befand, rollte auf die Seite.
Ein Schädel grinste mich an.
„Oh Gott!“ Aufgeregt knallte ich den Deckel zu, hockte mich auf die Fensterbank und barg das Gesicht in zitternden Händen. Ebenso aufgeregt sprang ich wieder auf, um in hektische Geschäftigkeit zu verfallen. Ich ließ die Rollos herunter, sah nach, ob die Vordertür abgeschlossen war, suchte und fand den Lichtschalter und machte die Deckenbeleuchtung des plötzlich so düster gewordenen Zimmers an.
Erst dann traute ich mich erneut an die Fensterbank, halb hoffend, ihr Inhalt möge durch ein Wunder eine andere Gestalt angenommen haben.
Immer noch lag da ein grinsender Schädel – und an der Vordertür klingelte es.
Ich fuhr hoch und stand einen Augenblick lang wie gelähmt da, unfähig, mich zu entscheiden. Dann schleuderte ich mein Werkzeug zu dem Ding in die Fensterbank, schloss leise den Deckel und zog den Teppich hoch. Da ich ihn so stümperhaft entfernt hatte, mochte er sich nicht gleich wieder perfekt wie zuvor anschmiegen, aber ich tat mein Bestes und türmte an den Rändern die handbestickten Kissen auf, um von meinem Schaden abzulenken. Dennoch wies der Teppich immer noch deutlich sichtbare Beulen auf. Ich zupfte ihn weiter zurecht und beschwerte ihn mit meiner Handtasche – immer noch Beulen. Ich schnappte mir ein paar Bücher aus den Regalen und stapelte auch sie auf der Fensterbank. Endlich wurde es besser, und der Teppich blieb liegen, wie er liegen sollte. An der Tür klingelte es zum zweiten Mal, aber ich nahm mir noch einen Moment Zeit, um meine Gesichtszüge zu ordnen.
Carey Osland stand vor der Tür, als ich endlich öffnete. Minus Hund, ein freundliches Lächeln im Gesicht, ein paar erste graue Strähnchen im dunklen, kastanienbraunen Haar, aber ohne eine einzige Falte im runden, hübschen Gesicht. Sie trug ein Kleid, das in seiner Schlichtheit gleich hinter einem Bademantel kam, dazu abgetretene Halbschuhe.
„Hallo Nachbarin“, grüßte sie mich freudestrahlend. „Aurora Teagarden, stimmt’s?“
„Ja.“ Einen ruhigen, gelassenen Eindruck zu machen fiel mir ungeheuer schwer.
„Carey Osland. Ich wohne in dem Haus an der Ecke, das mit den Rosen.“ Sie deutete in die entsprechende Richtung.
„Ich glaube, wir kennen uns. Wir sind uns einmal
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