Knochenfunde
für niemanden zurückstehen müssen.
Sie merkte, wie sie versuchte, ihn zu verteidigen. Aber sie war die Einzige, die ihn verletzen konnte. Wie oft hatte sie ihn während der vergangenen zwei Jahre verletzt?
Mit schnellen Schritten ging er den Weg entlang. An jeder seiner Bewegungen erkannte sie, wie gefühlsgeladen er war, wie viel Mühe es ihn kostete, seine Emotionen im Zaum zu halten. Er wirkte so anders als noch vor wenigen Wochen, als sie ihn zusammen mit Jane hatte herumtollen sehen.
Andererseits war jetzt nichts mehr so wie früher.
Sie wandte sich vom Fenster ab. Im Moment war sie zu aufge-
wühlt und zu verwirrt, um aus ihren eigenen Gefühlen schlau zu werden. Anstatt Joe nachzustarren, sollte sie lieber über andere Dinge nachdenken.
Doch dazu hatte sie keine Chance.
»Jennings ist auf dem Weg hierher.« Joe hatte die Tür aufgerissen und kam zurück ins Haus. »Galen hat gerade vom Beobach-
tungsposten an der Straße angerufen. Jennings ist allein in seinem Wagen, wird jedoch von einem Streifenwagen begleitet.«
»Was?«
Joe zuckte die Achseln. »Ich weiß auch nicht, was das soll. Das ist normalerweise nicht Jennings’ Stil.«
Eve trat auf die Veranda hinaus.
Scheinwerfer näherten sich dem Haus.
Nathan erhob sich von der Verandaschaukel. »Was ist los?«
»Jennings. Wahrscheinlich will er Victor abholen.«
Nathan runzelte die Stirn. »Und wieso lässt er sich von einem Streifenwagen begleiten?«
Joe antwortete nicht. »Wenn Sie nicht wollen, dass jemand Sie sieht, sollten Sie lieber von der Bildfläche verschwinden, Nathan.«
Nathan zögerte, dann schüttelte er langsam den Kopf. »Ich bin es leid, mich zu verdrücken. Sie sind aus dem Versteck gekommen. Es wird Zeit, dass ich das auch tue.«
»Wie Sie wollen.«
Wenige Minuten später hielt Jennings’ Wagen vor dem Haus. Er
stieg aus und kam auf die Veranda zu. »Tut mir Leid, dass ich so handeln muss«, sagte er ruhig. »Aber ich muss den Schädel haben, Ms Duncan.«
»Ich kann es nicht leiden, wenn man mich bedrängt, Jennings.
Sie bekommen ihn, wenn ich bereit bin, ihn Ihnen zu übergeben.«
»Ich weiß, dass Sie wütend auf mich sind, aber lassen Sie sich dadurch nicht Ihr Urteilsvermögen trüben. Sie haben Ihre Arbeit getan. Jetzt lassen Sie uns die unsere tun.«
»Sonst dringen Sie mit Gewalt in mein Haus ein, um sich den
Schädel zu holen?« Sie warf einen Blick auf den Streifenwagen.
»Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Aber ja.« Er nahm ihn aus seiner Brusttasche und reichte ihn Joe. »Ich wollte nicht riskieren, dass Sie mich unverrichteter Dinge fortschicken. Seit das Haus in die Luft geflogen ist, macht Agent Rusk, mein Vorgesetzter, mir die Hölle heiß, dass ich Hebert finden muss.«
»Ich bin noch nicht fertig. Ich habe die Rekonstruktion beendet, aber die Foto- und Videovergleiche noch nicht durchgeführt.«
»Das übernehme ich. Ich habe Fotos von Bently im Wagen. Rusk
will, dass ich mich sofort überzeuge. Er will von mir benachrichtigt werden, sobald ich hier abfahre.«
»Es ist aber nicht dasselbe. Ich möchte das selbst machen.« Eve presste die Lippen zusammen. »Haben Sie je daran gedacht, dass Hebert womöglich versuchen könnte, den Schädel in die Hände zu bekommen? Warum lassen Sie nicht lieber unser Haus bewachen,
anstatt hierher zu kommen und die Herausgabe des Schädels zu verlangen?« O Gott, sie hatte sich soeben als Köder angeboten. Was zum Teufel war eigentlich mit ihr los?
»In der Tat wollen wir Hebert so eine ähnliche Falle stellen. Das ist einer der Gründe, warum ich den Schädel unbedingt haben muss.«
»Aber ich bin aus der Sache raus?«
Jennings nickte. »Ich verstehe nicht, warum Sie sich dagegen
sträuben. Als ich das erste Mal mit Ihnen gesprochen habe, konnten Sie es gar nicht erwarten, dass ich Ihnen den Schädel abnehme.«
»Ich mag es nicht, wenn man mir meine Arbeit mit Gewalt ent-
reißt. Wenn Sie gewartet hätten, hätte ich Sie wahrscheinlich angerufen.«
»Wir haben keine Zeit.« Er holte tief Luft. »Ich komme gerade von Boca Raton. Dort habe ich ein paar Tage lang Ermittlungen durchgeführt.«
»Und?«
»Nichts Konkretes, aber etwas ist mir aufgefallen, als ich dort war. Ich habe mir alles durch den Kopf gehen lassen, was Sie mir gesagt haben, und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Es lag alles direkt vor mir, aber ich hatte es nicht gesehen. Möglicherweise irre ich mich, aber ich habe da eine Vermutung…« Er schüttelte
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