Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
war der Meinung, dass die meisten dieser reichen Leute, denen die kostbaren Artefakte gehörten, genau die falschen Hüter waren, und sie teilte ihnen nur selten Informationen mit, von denen sie der Meinung war, sie könnten sie nicht würdigen. Trotzdem würde Beth sie später anrufen, um absolut sicherzugehen.
Sobald sie diesen Gedanken im Geiste ausgeformt hatte, begriff Beth, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte, ohne es eigentlich geplant zu haben. Offensichtlich war sie entschlossen, den Brief des Schreibers ganz zurückzuhalten. Einerseits war sie entsetzt, denn das war falsch und unethisch. Und es könnte in einer beruflichen Katastrophe enden. Wie sollte sie jemals ihre Schlussfolgerungen veröffentlichen können, ohne ihren Fund preiszugeben und zu erklären, wie er in ihre Hände gelangt war?
Doch wenn sie al-Kalli von dem Brief erzählte und ihm das Schriftstück zurückgäbe, würde sie ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder zu Gesicht bekommen. Sie würde weder das Pergament noch die Tinte analysieren lassen können; sie wäre niemals in der Lage, ihn der Welt zu präsentieren und sie könnte niemals beweisen, dass dieser Augenzeugenbericht des Ersten Kreuzzugs oder die Gefangenschaft und der Tod des Schreibers mehr waren als die Erfindung einer frustrierten Wissenschaftlerin. Es war schon schlimm genug, dass Edens wilde Tiere für weitere tausend Jahre allen Blicken entzogen in einer Kiste verschwinden würde, doch die Vorstellung, dass dieser seltene, beeindruckende und auf so entsetzliche Weise authentische Brief ebenso der Vergessenheit anheimfallen sollte, war einfach zu viel. Vielleicht hatte Hildegard recht, und diese Schätze gehörten schlicht den falschen Leuten.
Als sie ihr Büro erreichte, sah sie Jakob, der die schwere Kiste hielt, in der sie das Bestiarium zum ersten Mal gesehen hatte. Er wartete an der Tür, und sie hörte Mrs Cabot innen sagen: »Ich bin sicher, dass sie auf dem Gelände ist. Der Parkhausaufseher sagte, ihr Wagen sei noch hier.«
An der Nervosität in Cabots Stimme erkannte Beth, dass irgendwas schiefgelaufen war. Sie setzte ihr strahlendstes, beruhigendstes Lächeln auf und rauschte an Jakob vorbei ins Zimmer.
»Mr al-Kalli«, sagte sie und streckte ihre Hand aus, »was für eine Freude, Sie zu sehen.« Er stand an der Ecke ihres Schreibtischs, als hätte er verstohlen die Papiere durchsucht, die dort ausgebreitet lagen.
Mrs Cabot sah aus, als wollte sie vor Erleichterung in Ohnmacht fallen.
»Mein Assistent, Elvis Wright, hat mir gesagt, dass Sie die Ergebnisse unserer bisherigen Arbeit sehen möchten.« Im tiefsten Inneren ihres Herzens hoffte sie immer noch, ihn überreden zu können, die Dinge so zu belassen, wie sie waren, und das Buch wieder den Restauratoren übergeben zu können.
Er ergriff ihre Hand, blieb jedoch distanziert. Wie immer war er tadellos gekleidet, mit mitternachtsblauem Anzug und gelber Seidenkrawatte, die von einer goldenen Krawattennadel gehalten wurde.
»Die Computersoftware liefert eine gründlichere und präzisere englische Übersetzung, als wir je erwartet hätten.« Betone die Fortschritte, die wir schon gemacht haben . »Und das auch noch schneller, als ein ganzes Team von Wissenschaftlern es gekonnt hätte.«
»Ich fürchte, nicht schnell genug. Ich möchte alles haben, was Sie bis jetzt fertig haben.«
»Ich habe Elvis bereits angewiesen, die Unterlagen für Sie vorzubereiten. Er ist nebenan und trägt alles zusammen.« Sie konnte sich einfach nicht bezähmen und warf einen Blick auf Jakob, der direkt vor dem Büro die Kiste festhielt, die jetzt wieder das Buch enthielt. »Aber ohne das Original hier auf dem Gelände zu haben, wird es wesentlich schwieriger werden, die Arbeit so fortzusetzen, wie wir es gerne tun würden. Wir hatten gehofft, nach der Vervollständigung des Graphemkatalogs und der damit einhergehenden Übersetzung, dieses wunderbare Werk sämtlichen Forschern online zur Verfügung zu stellen.«
»Tatsächlich?«, sagte al-Kalli. »Das war nie meine Hoffnung.«
Obwohl sie inzwischen ab und zu mit al-Kalli zu tun gehabt und das Schlimmste befürchtet hatte, war Beth trotzdem über seinen Tonfall bestürzt. »Nicht?«
»Ich wollte, ich musste wissen, was jedes einzelne Wort in diesem Buch besagt. Jetzt, wo das erledigt und das Buch selbst zeitgemäß restauriert ist, ist die Arbeit abgeschlossen.«
»Sie hatten also niemals die Absicht, Edens wilde Tiere der Welt zu zeigen?«
Al-Kalli blickte
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