Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
tödlich gewesen. Und selbst wenn nicht, welche Rettung gäbe es für sie? Sollte er sie nach Mosul oder Bagdad ins Krankenhaus bringen? Sie würden die Fahrt niemals überleben, ebenso wenig wie die zarte Fürsorge der Ärzte dort, die mit Sicherheit ihre eigenen Befehle von Saddam erhalten hatten.
Mohammed griff zum Handy und wies seine Angestellten an, den Plan in die Tat umzusetzen, den er schon längst vorbereitet hatte. Die Mauern seines Grundbesitzes wurden von seiner eigenen Miliz gesichert, sein Hubschrauber wurde für einen sofortigen Start vorbereitet, und seine wertvollsten Besitztümer, oder vielmehr das, was von ihnen übrig war, wurden in wartende Lastwagen verladen, um ihre eigene lange Reise aus dem Irak anzutreten. Er hatte nicht einmal Zeit zum Trauern. Dafür, wusste er, würde er später noch sein Leben lang Zeit haben.
Seine Rache würde ebenfalls warten müssen.
Als der Mercedes jetzt unter dem Torbogen hindurchfuhr und damit die Grenze von Bel Air passierte, starrte Mohammed aus den kugelsicheren Fenstern auf die kunstvollen Fassaden der großen Häuser, die sie passierten, auf die filigran geschmiedeten Eisenzäune, die gepflegten Hecken und aufwendigen Gärten. Die Dürre-Warnungen hatten nicht dazu geführt, dass Bel Air weniger grün war als sonst. Immer höher fuhren sie, über stille, gewundene Straßen, auf denen immer weniger Autos und schließlich so gut wie gar keine mehr unterwegs waren, je mehr sie sich der Bergkuppe näherten. Schließlich waren überhaupt keine Häuser mehr zu sehen, nur verschlossenen Tore, neben denen hin und wieder ein Wachmann in einer beleuchteten Bude in einer Zeitschrift blätterte oder Radio hörte. Je höher sie kamen, desto dunkler und ruhiger wurde die Straße, bis sie, direkt unterhalb des Gipfels, bei einem erleuchteten steinernen Torhaus ganz endete. Zusätzlich zu dem diensthabenden Wachposten wies ein kleines, erst kürzlich angebrachtes Schild auf dem Rasen darauf hin, dass jedes unbefugte Eindringen eine sofortige bewaffnete Reaktion des Silver Bear Security Service nach sich ziehen würde.
Das Tor schwang auf, und die Limousine fuhr hindurch, eine lange, gewundene Zufahrt entlang, vorbei an dem kunstvollen Springbrunnen, der dem Trevi-Brunnen in Rom nachempfunden war, unter einem Baldachin aus hochaufragenden Ulmen hindurch und in die Auffahrt vor einem Haus. Mehdi, der während der Fahrt gedöst hatte, wachte auf.
»Geh ins Bett«, sagte sein Vater.
»Warum? Es ist noch nicht einmal neun Uhr.«
»Du bist müde.«
»Was hast du noch vor?«
»Das geht dich nichts an.«
Mehdi feixte. »Glaub bloß nicht, ich wüsste es nicht.«
»Geh ins Bett.«
Jakob hielt die hintere Tür auf, und Mohammed stieg aus. »Du kannst den Wagen wegfahren, wir bleiben heute Abend zu Hause.« Ehe er sich abwandte, fügte er hinzu: »Und sieh noch mal nach unserem Gast.«
Jakob nickte.
Es war ein lauer Abend, ein warmer Wind wehte. Einer der Pfauen, die nach Belieben auf dem Grundstück umherstreiften, kreischte laut. Al-Kalli schlug einen gepflasterten, mit hellvioletten Blüten des Jacarandabaums bedeckten Pfad zur Rückseite des Anwesens ein. Es war das größte Einzelgrundstück in Bel Air, zehn Hektar auf der Bergkuppe, und er hatte es um weitere fünf Hektar erweitert, indem er die angrenzenden Grundstücke zu Preisen weit über ihrem Wert aufgekauft und die Häuser darauf abgerissen hatte.
Sein eigenes Haus war ein massives Gemäuer aus grauem Stein und Fachwerk, das der Makler als Schloss bezeichnet hatte. Ursprünglich war es von einem verschwiegenen Filmstar erbaut worden, der es dem Vernehmen nach für wilde Orgien und Zechgelage genutzt hatte. Der Mann starb auf einer dieser Partys, man fand ihn im Pool treibend, nackt bis auf eine Hundeleine um den Hals. Ein Öl-Tycoon erwarb das Anwesen und erweiterte das Haus um einige Anbauten. Damals entstanden der Weinkeller mit Platz für zehntausend Flaschen, der Aussichtspavillon und die Stallungen. Auch jetzt steckte eines der Pferde den Kopf aus der Stalltür und schnüffelte in der Nachtluft.
Hinter den Ställen, jenseits eines hölzernen Stegs, befand sich das größte freistehende Nebengebäude, das al-Kalli auf dem Grundstück errichtet hatte, ein riesiges Reitrondell mit Reitanlage, für deren Errichtung er ein Dutzend verschiedene Genehmigungen von der Baubehörde hatte einholen müssen. Aus der Ferne sah es aus wie ein mitten in die Landschaft gesetzter Flugzeughangar mit weißgetünchten
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