Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
Gabel.
Der Kellner kam zurück. Indira bestellte ihren Salat und Greer ein Hähnchensandwich mit Kopfsalat und Tomaten. Was konnte man bei einem blöden Hähnchensandwich schon falsch machen?
»Wie geht es Ihrem Bein?«, fragte Indira, was er bedauerte. Der Sinn dieser ganzen Sache war, dass es ein Date sein sollte. Sie sollte sich nicht benehmen wie seine Physiotherapeutin, und er sollte sich nicht benehmen wie ein Patient.
»Dem geht’s gut«, sagt er. Er hatte es unter dem Tisch ausgestreckt.
»Machen Sie regelmäßig Ihre Übungen?«
Zum Teufel. »Na klar.«
Sie verfielen wieder in unbehagliches Schweigen. Indira sah sich im Restaurant um, und Greer folgte ihrem Blick. Der Laden war gefüllt mit Studenten der University of California, und die Tische waren besetzt mit jungen Frauen, die in einer Tour kicherten und quatschten. Er wusste, dass er eigentlich gar nicht so viel älter war als sie, aber er hatte das Gefühl, zwischen ihm und denen bestünde eine meilenbreite Kluft. Sie sahen alle so verdammt glücklich und jung aus, und so, na ja, nicht unbedingt reich, aber so, als sei Geld überhaupt kein Problem. Sie sahen aus, als hätten sie noch nie etwas wirklich Schlimmes erlebt. Obwohl er wusste, dass solche Gedanken ihn auf direktem Weg wieder in psychiatrische Behandlung bringen würden, hatte Greer das Bedürfnis, es ihnen zu zeigen … ihnen zu zeigen, was für einen Scheiß er zwischen Bagdad und dem Hauptflughafen gesehen hatte, auf dem »Highway zur Hölle«, wie sie es genannt hatten.
»Und, was haben Sie so getrieben?«, fragte Indira und strich ihre Serviette im Schoß glatt.
»Dies und das«, erwiderte Greer. »Gestern war ich auf dem Schießstand.« Als er ihr ein wenig über den Schießstand und seinen Kumpel Sadowski erzählte, kehrten seine Gedanken zu dem zurück, was ihn gerade wirklich beschäftigte – der Formulierung eines Erpresserbriefes. Wie konnte er bloß Profit aus dieser Sache mit al-Kalli schlagen? Er könnte da echt einen guten Rat gebrauchen, aber aus naheliegenden Gründen war das kein Thema, dass er mit Indira erörtern konnte. Zumindest im Moment nicht. Aber vielleicht, wenn sie was am Laufen hätten … später irgendwann …
Währen des Essens lief es etwas besser. Indira erzählte davon, wie es gewesen war, in Bombay aufzuwachsen, und dass sie jedes Jahr dorthin fuhr, um ihre Großeltern zu besuchen. Greer bestellte noch zwei Bier, was seine Stimmung eindeutig hob. Er empfand sogar halbwegs so etwas wie Sympathie für all die anderen Gäste, die in den Laden rein- und rausströmten. Vielleicht stand er doch gar nicht so außen vor, wie er gedacht hatte. In diesem Moment stolperte so eine Tussi in High Heels über seinen Fuß.
»Entschuldigung«, sagte sie, aber auf diese übertriebene Weise, die deutlich machte, dass es ihr kein Stück leidtat.
Greers Bein war zum Tischbein hin verdreht worden, und jetzt fühlte sich sein Zeh an, als hätte man ihn in eine Steckdose gerammt. Er sagte kein Wort, aber Indira merkte an seinem Gesichtsausdruck, dass er ziemliche Schmerzen hatte.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie ihn.
»Sie sollten Ihr Bein nicht so auf den Gang ausstrecken«, sagte die Frau. »Ich hätte mir den Hals brechen können.«
»Wenn du nicht sofort deinen Arsch hier rausbewegst«, murmelte Greer, ohne aufzublicken, »brech’ ich dir gleich deinen verdammten Hals.«
Die Frau sah ihn entgeistert an. Eine ihrer Freundinnen, die ebenfalls gerade aufgestanden war, nahm ihren Arm und sagte: »Komm schon, Emily … der Typ ist durchgeknallt, lass ihn in Ruhe.«
»Er ist nicht durchgeknallt«, schoss Indira zurück und wirbelte zu ihnen herum. »Er ist ein Veteran der US-Armee, und Sie sollten ihm Respekt entgegenbringen.«
Jetzt waren die Frauen sprachlos. Andere Gäste beobachteten sie.
»Sie sollten sich bei ihm entschuldigen«, sagte Indira. »Und jetzt verschwinden Sie.«
Und das taten sie. Eine der beiden drehte sich noch einmal um und sah sie trotzig an, doch Indira ekelte sie mit einem Blick fort.
Greer konnte es kaum glauben. Sie kam ihm vor wie eine brüllende Löwenmutter, die eines ihrer Jungen verteidigte.
»Es geht mir gut«, sagte er, um die Kellner zu beruhigen. »Nichts passiert.«
Mit gesenktem Blick drehte Indira sich wieder zu ihm um und beschäftigte sich mit ihrer Weinschorle und ihrem Salat. Die Show war vorbei, auch die anderen Gäste widmeten sich wieder ihrem Abendessen.
Vorsichtig massierte Greer sein Bein unterm Tisch,
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