Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
wirken. Er rückte seine Schirmmütze gerade, nahm die Taschenlampe, die er in seinen Gürtel gehängt hatte, und stieg schlendernd die Vordertreppe hinauf, als sei er auf einem Routinekontrollgang. Er probierte den Türgriff. Verschlossen, welch große Überraschung. Er schaute zur Überwachungskamera hoch, die geschickt über einem steinernen Wasserspeier angebracht war. Der Wasserspeier, ein grinsender Dämon mit einer Affenschnauze, erinnerte ihn an die, die er einmal als Kind gesehen hatte, an einer alten Kirche in Downtown L. A. Das letzte Mal, als er an der Stelle vorbeigekommen war, war die Kirche verschwunden und durch ein Parkhaus ersetzt worden.
Wo, überlegte Greer, mochten die Überwachungsbilder wohl landen? Gab es irgendwo eine Einsatzzentrale, in der rund um die Uhr jemand saß, oder gingen sie nur zu Reggie ins Torhaus? Sadowski hatte ihm gesagt, er habe die Akten bei Silver Bear überprüft, und dort gäbe es keinen Hinweis auf irgendwelche ungewöhnlichen Kameraeinstellungen. Doch Greer war ein gebranntes Kind und klug genug, sich nicht auf Sadowskis Informationen zu verlassen.
Er hielt sich im Schatten, ohne sich jedoch auf irgendeine Weise verdächtig zu benehmen, und ging an der Längsseite des Hauses entlang und weiter zur Wagenauffahrt, wo ein kleines Fahrzeug mit fransenbehängtem Dach, wie man es auf Golfplätzen benutzte, neben einer Mercedes-Limousine der Spitzenklasse parkte. Greer spähte ins Innere des Wagens und stellte fest, dass dieses Modell mit allen Schikanen ausgestattet und besser gepanzert war als sein Humvee bei der Armee. Al-Kalli verstand es, zu reisen … und zu leben.
Greer probierte es an der Seitentür des Hauses, doch die war ebenfalls abgeschlossen. Greer wusste sogar, nur vom Rütteln am Türknauf, dass sie durch ein Vorhängeschloss mit Überwurffalle und verstärkter Metallplatte dahinter gesichert war. An der Außenmauer hingen Messinglampen, die ein gelbliches Licht abgaben. Greer ging um das Haus herum nach hinten.
Hier öffnete sich das Gelände. Ein weitläufiger Säulengang ging in eine lange Reihe Bäume über, die gerade in voller Blüte standen. Dahinter lag ein Pool und eines dieser kleinen Gartenhäuschen, die Greer an die offenen Musikpavillons erinnerten, in denen alte Männer mit Strohhüten am vierten Juli Marschmusik spielten. Neben einem Tisch mit Pinsel und allem möglichen Zeug war eine hölzerne Staffelei aufgebaut.
Greer drehte sich wieder zum Haus um. Hier und da brannte Licht, sowohl in den oberen Stockwerken als auch im Erdgeschoss. Er hielt sich im Schatten und ging über die Steinplatten, um durch die Fenster ins Parterre zu spähen. Es waren Flügelfenster, mit jeder Menge rautenförmigen Scheiben. Im Haus konnte er den Hinterkopf eines Jungen mit lockigem schwarzem Haar sehen. Er beugte sich über etwas, das eine Playstation oder Xbox oder eins von diesen Dingern sein musste. Greer konnte sogar auf dem großen Plasmabildschirm eine Art Kampfszene sehen, in der Gestalten in Tarnkleidung Typen wegpusteten, die wie Taliban aussahen. Er musste lachen: Sein Leben war jetzt also ein Videospiel.
Plötzlich schaute der Junge auf, und die Action auf dem Bildschirm fror ein. Der Junge sprach mit jemandem außerhalb von Greers Blickfeld. Dann wurde der Bildschirm dunkel, und der Junge stand vom Sofa auf. Es war nicht schwer, sich auszumalen, was da los war. Greer schaute auf die Uhr. Es war fast Mitternacht, und das während der Schulzeit. Er trat ein wenig zurück und zur Seite, und jetzt konnte er erkennen, mit wem der Junge geredet hatte. Der Mann hatte eine Glatze, trug einen schwarzen Rollkragenpullover und machte ein finsteres Gesicht.
Instinktiv wusste Greer, dass er zum ersten Mal Mohammed al-Kalli persönlich sah.
Er hatte ihn gegoogelt und im Internet nach Informationen über ihn gesucht, doch für einen Mann mit seinem Geld und seiner Macht war nur wenig über ihn zu finden gewesen. Die einzigen Fotos, die Greer aufgestöbert hatte, zeigten einen jungen Mann in Reitkleidung in England, ein paar grobkörnige Schnappschüsse von arabischen Spitzentreffen und eines, auf dem al-Kalli die Hand gehoben hatte, um sein Gesicht zu verbergen, während er in Paris aus einer Limousine stieg. Aber das hier war er ganz eindeutig. Greer hätte es allein an seiner Haltung erkannt, wie dieser Kaiser namens Saladin in Königreich der Himmel .
Der Junge schlurfte aus dem Zimmer, und al-Kalli folgte ihm. Das Licht ging aus. Kurz darauf ging im
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